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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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weitläufigeren Fallen, als ob man aus einem der oberen Fenster Sandkörnchen gestreut hätte, dann zunehmendes, regelmäßig, rhythmisch, fließend, klangvoll, melodiös, unendlich und allumfassend werdendes Fallen: es regnete.
    »Nun, Françoise, was habe ich Ihnen gesagt? Wie das jetzt herunterkommt! Aber ich glaube, ich habe die Schelle an der Gartenpforte gehört, gehen Sie doch und sehen Sie nach, wer wohl bei diesem Wetter draußen ist.«
    Françoise kehrte zurück:
    »Es ist Madame Amédée (meine Großmutter); sie hat gesagt, sie gehe ein bißchen ins Freie. Dabei regnet es nicht schlecht.«
    »Das wundert mich gar nicht«, sagte meine Tante und hob den Blick gen Himmel dabei. »Ich habe schon immer gesagt, ihr Geist ist anders gemacht als der anderer Leute. Aber mir ist es lieber, sie ist draußen in diesem Augenblick, als ich.«
    »Madame Amédée ist immer ganz das Extrem von den anderen«, äußerte Françoise mit Sanftmut, denn sie sparte sich für den Augenblick, wo sie mit den anderen Dienstboten allein sein würde, die Äußerung ihrerMeinung auf, daß sie meine Großmutter für etwas »komisch« halte.
    »Nun ist das Ave vorbei! Jetzt kommt Eulalie nicht mehr«, seufzte meine Tante; »sicher hat das Wetter sie abgeschreckt.«
    »Aber es ist ja noch nicht fünf, Madame Octave, es ist eben erst halb.«
    »Halb fünf? Und ich habe schon die Vorgardinen zur Seite schieben müssen, um auch nur einen kleinen Lichtstrahl abzubekommen. Halb fünf Uhr! Acht Tage vor den Bittagen! 1 Ach, meine arme Françoise! Der liebe Gott muß uns wirklich sehr böse sein. Aber die Welt von heute treibt es ja auch danach! Wie mein armer Octave immer sagte, wir vergessen zu sehr den lieben Gott, und dafür rächt er sich.«
    Eine lebhafte Röte färbte die Wangen meiner Tante: Eulalie war da. Unglücklicherweise war sie kaum von Françoise hereingeführt worden, als diese nochmals mit einem Lächeln eintrat, das ihre Teilnahme an der Freude ausdrücken sollte, die ihrer Meinung nach meiner Tante ihre Worte bereiten würden; jede Silbe artikulierend, um zu zeigen, daß sie als gute Dienerin trotz der Verwendung der indirekten Rede genau die Worte wiedergab, deren der Besucher die Güte hatte sich zu bedienen, berichtete sie:

»Der Herr Pfarrer wäre erfreut, ja entzückt, wenn Madame Octave gerade nicht ruhte und ihn empfangen könnte. Der Herr Pfarrer will aber nicht stören. Der Herr Pfarrer wartet unten, ich habe ihn in die Halle geführt.«
    In Wirklichkeit bereiteten die Besuche des Pfarrers meiner Tante kein so großes Vergnügen, wie Françoise vermutete, und die Festtagsmiene, die diese jedesmal aufsetzen zu müssen glaubte, wenn sie ihn anmeldete, entsprach den Gefühlen der Kranken nicht ganz. DerPfarrer (ein trefflicher Mann, mit dem nicht ausgiebiger geplaudert zu haben ich bedaure, denn er verstand zwar nichts von Kunst, desto mehr jedoch von Etymologie) war daran gewöhnt, bedeutenderen Besuchern Auskünfte über die Kirche zu geben (er hatte selbst die Absicht gehabt, ein Buch über die Pfarrei Combray zu schreiben), und ermüdete meine Tante infolgedessen durch endlose Erklärungen, noch dazu immer die gleichen. 1 Wenn er aber nun auch noch zur gleichen Zeit wie Eulalie erschien, war sein Besuch meiner Tante ausgesprochen unangenehm. Sie hätte sich viel lieber nur mit Eulalie abgegeben und nicht beide auf einmal dagehabt. Doch sie wagte nicht, den Pfarrer abzuweisen, und machte nur Eulalie ein Zeichen, sie möge nicht zu gleicher Zeit aufbrechen wie er, damit sie sie nach seinem Weggang noch ein Weilchen sprechen könnte.
    »Ja, Herr Pfarrer, was höre ich denn? Ein Künstler soll in Ihrer Kirche seine Staffelei aufgestellt haben und eines der Fenster kopieren? Jetzt bin ich so alt geworden, aber so etwas habe ich noch nie gehört! Was die Leute heutzutage nicht alles aufstöbern! Dabei ist das das Häßlichste in der ganzen Kirche.«
    »Ich möchte nicht gerade sagen, daß es das Häßlichste ist, denn wenn es in Saint-Hilaire Dinge gibt, die sicher einen Besuch lohnen, so sind doch auch andere Teile recht verkommen in meiner alten Basilika, die als einzige in der Diözese nicht restauriert worden ist! Mein Gott, der Vorbau ist verschmutzt und recht alt, aber besitzt doch eine gewisse Erhabenheit; die Tapisserien mit der Geschichte von Esther mögen auch noch hingehen; ich selbst würde keinen Pfifferling dafür geben, aber Kenner stellen sie kaum hinter jene von Sens. Ich muß übrigens anerkennen, daß

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