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Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilmour
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Piazza ihres Heimatorts Schutzgeld verlangten. Die Leute, die jetzt an ihrer Stelle waren, traten nicht öffentlich in Erscheinung, und sie waren noch weit brutaler. Sie gingen in die Städte und verdienten Millionen in der Bauindustrie und weitere Millionen im Drogenhandel. In den 1970er Jahren wurde Palermo zur internationalen Drehscheibe des Heroinhandels. Der skrupelloseste dieser neuen Mafiosi gehörte dem Clan vonCorleone an, der durch Mario Puzos Roman Der Pate und dessen Verfilmung mit Robert De Niro, Marlon Brando und Al Pacino in den Hauptrollen zu zweifelhaftem Ruhm gelangte. Allerdings hat Robert De Niro nun wirklich keine Ähnlichkeit mit Totò Riina, dem vierschrötigen Psychopathen und obersten Mafiaboss der achtziger Jahre, oder seinem Handlanger Giovanni Brusca, der zugab, »viel mehr als hundert, aber weniger als zweihundert« Menschen getötet zu haben. *329
    Anfang der achtziger Jahre eliminierten die Corleonesi ihre Rivalen und erklärten gleichzeitig Italien den Krieg. Bis dahin hatte die Mafia stets darauf geachtet, das italienische Establishment nicht zur Zielscheibe ihrer Anschläge zu machen. Jetzt, unter Riina, änderte sie ihre Strategie. Mit Attentaten auf Polizisten, Politiker, Journalisten und Staatsanwälte forderten sie den Staat heraus. Zu ihren Opfern – den sogenannten cadaveri eccellenti , illustren Toten – zählten der Präsident der sizilianischen Regionalregierung, der Leitende Staatsanwalt von Palermo, der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Siziliens und der Vorsitzende der Christdemokraten in Palermo, dessen Vater als Minister in Rom die Mafia geschützt hatte, der aber selbst tapfer versuchte, die Democrazia Cristiana aus den Fängen der Kriminalität zu lösen. Viele Sizilianer waren empört, doch die Christdemokraten verhielten sich erbärmlich. Sie missbilligten zwar die Morde, wagten es aber nicht, mit der Mafia zu brechen. Erst 1982, nach dem spektakulären Mord an dem Carabinieri-General Carlo Alberto Dalla Chiesa, der die Roten Brigaden besiegt hatte und erst kurz zuvor zum Polizeipräfekten von Palermo ernannt worden war, zeigte die Regierungskoalition Entschlossenheit. Eine Folge all dieser Morde war ein Gesetz, das die associazione mafiosa , die Zugehörigkeit zu einer mafiaartigen Vereinigung, erstmals als Straftatbestand ins Strafgesetzbuch aufnahm. Die associazione mafiosa war ein schwer beweisbarer Vorwurf, der jedoch Ciancimino und mehrere andere Politiker hinter Gitter brachte. Im Jahr 2003 sah es ein Gericht in Palermo als erwiesen an, dass Andreotti Verbindungen zur Mafia hatte, sprach aber den inzwischen 84-jährigen Senator auf Lebenszeit wegen Verjährung von den Vorwürfen frei.
    Eine weitere Folge des tödlichen Attentats auf Dalla Chiesa war die Gründung einer Gruppe geschickter und engagierter Staatsanwälte in Palermo, die aufgrund der Aussagen von Mafiaaussteigern Hunderte Verdächtige vor Gericht stellten. Ende 1987, nach dem sogenannten Maxiprozess in Palermo, der mehr als zwei Jahre dauerte, wurden 350 Angeklagte rechtskräftig verurteilt und ins Gefängnis gesteckt. Die Schuldigen brauchten sich jedoch kaum Sorgen zu machen, denn sie wussten, dass sie nach italienischem Strafrechtimmer noch eine Chance auf Freispruch hatten: vor dem Berufungsgericht und – in dritter und oberster Instanz – vor dem Kassationsgericht. In zweiter Instanz hatten sie es mit einem Richter zu tun, der berüchtigt dafür war, dass er Mafiosi aufgrund von prozessualen Formfehlern freisprach. Er musste sich später selbst dem Vorwurf der Mafiazugehörigkeit stellen. Viele Mafiosi wurden von ihm freigesprochen und waren zuversichtlich, auch vor dem Obersten Gerichtshof ein günstiges Urteil zu erhalten. Salvo Lima würde alles für sie richten, der Vorsitzende Richter würde auf ihrer Seite stehen, und Andreotti würde letztlich seine schützende Hand über sie halten. Doch sie hatten sich verrechnet, und als viele erstinstanzliche Urteile bestätigt wurden, übten sie Rache. Eines der ersten Opfer war Lima, ihr »Freund« seit mehr als 30 Jahren, der als Vergeltung für den verweigerten Schutz sowie als Warnung an Andreotti und die Christdemokraten ermordet wurde. Als Nächstes gerieten jene Staatsanwälte ins Visier der Mafia, die sie hinter Gitter gebracht hatten. Giovanni Falcone und Paolo Borsellino waren mit Mafiosi im Stadtviertel La Kalsa in Palermo aufgewachsen und wussten, dass sie ihr Leben aufs Spiel setzten, als sie die Jagd auf die Mafia

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