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Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilmour
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nahrhafter als die eher fade Polenta, das ungesunde Grundnahrungsmittel Norditaliens.
    Doch auch hier, in einem der glücklichsten und kultiviertesten Landstriche der Welt, gibt der Boden nicht besonders viel her. Sogar in der Epoche, als Florenz weltweiter Mittelpunkt der Kunst und des Bankwesens war, konnte die Stadt nicht länger als fünf Monate im Jahr von dem leben, was ihr Umland produzierte. In den 400 Jahren nach 1375 erlitt Florenz alle vier Jahre eine Hungersnot, und im 16. Jahrhundert musste der Großherzog aus dem Geschlecht der Medici Getreide aus England, Polen und Flandern importieren. Als sich der englische Journalist Vernon Bartlett nach dem Zweiten Weltkrieg in der Toskana niederließ, sprachen einige seiner Nachbarn, die in britischer Kriegsgefangenschaft gewesen waren, »mit neidvoller Zuneigung von der Fruchtbarkeit des englischen Bodens«. *9 Parmesan und prosciutto , Capri und Chianti, Gondeln und Gorgonzola beschwören ein Bild Italiens, das uns lieb und teuer ist.

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IMPERIALES ITALIEN
DIE RÖMERZEIT
    Die vielen Gestalten Italiens sind auf die geographische Lage, das Klima der Halbinsel und das Muster der menschlichen Besiedlung zurückzuführen, und all diese Faktoren gemeinsam begünstigten das Entstehen unterschiedlicher Kulturen und Bräuche. Diese Vielgestaltigkeit war längst vorhanden, als die Römer im 1. Jahrhundert v. Chr. die Halbinsel politisch einten.
    Vielgestaltig war auch die Mythologie. Caesars Familie, die Julier, führten ihre Abstammung auf Aeneas zurück, der als Urahn des römischen Volkes galt. Somit gehörte auch die Göttin Venus, nach der Sage die Mutter des Aeneas, zum Familienstammbaum. Wie Vergil in der Aeneis berichtet, flüchtete dieser Urahn aus dem brennenden Troja, um sein Schicksal zu erfüllen, obgleich er von Göttern und Menschen, Harpyien und Seuchen verfolgt wird. Er verschmäht die Liebe Didos, der Königin von Karthago, um nach Italien zu segeln, wo er den Krieger Turnus tötet und Lavinia heiratet, auf die Turnus ebenfalls ein Auge geworfen hat. Anschließend stiftet er Frieden zwischen den siegreichen Trojanern und den unterlegenen einheimischen Latinern und wird fortan als Urvater des römischen Volkes geehrt.
    Rund 400 Jahre später, Anfang des 8. Jahrhunderts v. Chr., wurde eine Nachfahrin des Aeneas vom Kriegsgott Mars vergewaltigt. Die Zwillinge Romulus und Remus, die aus dieser Gewalttat hervorgehen, werden von ihrem Großvater mütterlicherseits entführt und in einem Weidenkörbchen auf dem Tiber ausgesetzt. Von einer Wölfin gesäugt und von einer Hirtin großgezogen, wachsen sie auf und zanken sich, wer von ihnen Stadtgründer werden soll. Als Romulus auf dem Kapitol zu bauen beginnt, verspottet ihn Remus mit einem Sprung über die noch dürftigen Mauern. Erzürnt tötet Romulus seinen Bruder, baut weiter und bevölkert seine Stadt mit Flüchtlingen, Heimatlosen und Geächteten. Als er erkennt, dass sein Traum ohne Frauen keineZukunft hat, organisiert er die Entführung der jungen Frauen eines Nachbarstamms, die als »Raub der Sabinerinnen« in die Geschichte eingeht.
    »Wolfsmilch, Exil und Brudermord ergaben eine ungewöhnliche Herkunft«, stellte der Historiker Robin Lane Fox fest. *32 Dasselbe gilt, möchte man ergänzen, für göttliche Vergewaltigung und Massenkidnapping, Episoden, die von den Nachfahren ohne Scham eingestanden und weitererzählt wurden. Die Gründungserzählungen um die Stadt Rom sind freilich nichts weiter als Sagen, genauso wie Aeneas und Romulus Sagengestalten sind. Dennoch vermitteln sie uns einiges über die Stadt und das spätere römische Weltreich. Mag sein, dass Romulus in seiner Stadt Flüchtlingen Asyl bot, weil er Kämpfer brauchte, aber Rom nahm auch später Einwanderer gastfreundlich auf und gewährte ihnen das Bürgerrecht – zum Erstaunen der Griechen, die sich weigerten, befreite Sklaven oder ehemalige Feinde als Bürger aufzunehmen. Eine solche Haltung machte es unmöglich, die Römer als eigenständige Ethnie zu sehen. Von Anfang an lebten neben Romulus und seinen Verfolgten Sabiner, Albaner und Etrusker in ihrer Stadt. »Romanitas« beschrieb eine politische Identität – und wurde später ein juristischer Begriff –, aber es hatte nichts mit ethnischer Homogenität zu tun. Man musste nicht in Rom geboren sein, um in dieser Stadt Karriere zu machen. Kein bedeutender Dichter stammte aus Rom selbst, und zahlreiche römische Kaiser waren nicht einmal in Italien geboren.
    In der Geschichte, wenn

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