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Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilmour
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Thermen in Rom. Allerdings hatte das Bürgerrecht zu dieser Zeit keine große Bedeutung mehr. Die Steuerbefreiungen waren inzwischen abgeschafft, ebenso das Wahlrecht.
    Die Einbindung der Bundesgenossen in das Staatswesen fand in einem Jahrhundert intensiver »Romanisierung« statt, ein Prozess, bei dem auch viele Elemente der hellenistischen Kultur übernommen wurden. Römische Architektur erblühte in den Städten, römische Villen waren bald überall auf dem Land zu finden, Latein verdrängte Etruskisch und die italischen Sprachen, die Stadtverwaltungen und ihre Beamten orientierten sich am römischen Vorbild. Der wichtigste Akteur in diesem Prozess war die Armee, deren Legionäre auf schnurgeradenrömischen Straßen marschierten, in Lagern lebten und sich auf Lateinisch verständigten. Ihre Soldaten übten noch im Ruhestand Einfluss aus. Seit langem errichtete Rom in strategisch wichtigen Gebieten Siedlungen, vor allem in der Poebene, jetzt folgten viele weitere für die Veteranen der großen Heere des Pompeius und Caesars.
    In diesem letzten vorchristlichen Jahrhundert entstand eine Idee von Italien – nicht des Italia des Bundesgenossenkriegs, sondern die Idee eines friedlichen, geeinten, romanisierten Landes, in dem die Völker der Halbinsel nach jahrhundertelangem Krieg einvernehmlich miteinander lebten. Dieses Bild der Harmonie vermittelt eine Münze, auf der Roma, die Personifikation der Stadt Rom, in Kriegerrüstung Italia grüßt, die ein Füllhorn trägt – Rollen und Symbole, die sich danach über Jahrhunderte hielten. Im Jahr 1926 errichteten die Bürger Mantuas zu Vergils 2000. Geburtstag dem berühmtesten Sohn ihrer Stadt eine große Bronzestatue. Vergil steht heute gestikulierend auf einem Sockel auf der Piazza Virgiliana, umrahmt von den Marmorstatuen Romas, der Herrscherin, und Italias, der Mutter. In Mantua gibt es noch ein weit älteres Denkmal aus dem 13. Jahrhundert, das Vergil sitzend mit seinem Buch zeigt, in der Rolle des Gelehrten. Offensichtlich blieb das mittelalterliche Denken von der Idee »Italien« völlig unberührt. *35
    Vergil war der poeta laureatus dieser Idee. Man kann ihn wohl als den ersten Italiener bezeichnen, und er blieb für die nächsten 1800 Jahre der einzige (vielleicht mit Ausnahme Machiavellis). Mantua, eine Stadt im Norden, ist von Wasser und flachem Land umgeben und hüllt sich durchschnittlich 71 Tage im Jahr in Nebel. Kein Wunder, dass der Dichter vom Licht und der waldreichen Landschaft Mittelitaliens und Neapels entzückt war. »Glücklich auch, wer die ländlichen Gottheiten geistig erfasste«, schreibt Vergil in seinen Georgica , »Pan und den greisen Silvanus, dazu die verschwisterten Nymphen.« *36 Für Omar Khayyam, im Westen bekannt gemacht durch Edward Fitzgerald (und im Deutschen durch Friedrich Rosen), waren die wesentlichen Bestandteile eines Picknicks Brot, Wein, ein Gedichtband, der Ast eines Baums und eine Geliebte, die singen kann. Aber schon ein Jahrtausend früher als der persische Dichter empfahl der römische »erlesene Körbe«:
    zu würzen unser Mahl mit den Freuden der Natur: eine Brise mit Blütenhauch, die Muster der Wolken, Vogelgesang und das Murmeln fließenden Wassers (wo Weinkrüge warten wie eine schlafende Geliebte). *37
    Mantua wurde erstzur Zeit Vergils offiziell Teil des römischen Italien, daher ist die Begeisterung des Dichters für die Einigung verständlich. In der Aeneis lässt er Aeneas der traurigen Dido versichern: »italiam non sponte sequor« (IV 361), »eigener Trieb führt nicht nach Italien mich«, sondern das »Geheiß« der Götter. In diesem Epos führte Vergil Griechen, Trojaner und italische Völker zu einer römischen Ahnentafel zusammen. Zuvor hatte er in den Georgica Rom und Italien zu einer natürlichen Partnerschaft zum Wohle aller verschmolzen: »Mutter der Frücht’ … der Männer Pflegerin« (II 173 f.), vereint mit der großen Hauptstadt der Welt. Wie Richard Jenkyns bemerkt, wählt der Dichter hier das Bild des umbrischen Flusses Clitumnus, der sich mit dem Tiber mischt, um mit ihm gemeinsam nach Rom zu fließen. *38 Vergils Dichtung übte großen Einfluss auf Dante und Milton aus, und seine Schilderung des italienischen Landlebens inspirierte die Vorstellungswelt der Malerei nachhaltig. Ein Gemälde von Claude Lorrain zeigt eine mythologische oder biblische Szene, versetzt in die römische campagna, aber ebenso eine zauberhafte Hirtenlandschaft, ein heiteres Arkadien im Abendlicht, zu dem der

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