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Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilmour
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Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, ohne das Parlament zu fragen. Der Staatsmann erwies seinem König auch dadurch einen Dienst, dass er dessen Image als re galantuomo (Gentleman-König) förderte, ein Beiname, der Anklang fand und manchmal noch heute verwendet wird. Später bedauerte D’Azeglio diese Entwicklung, denn er musste erkennen, dass ein flegelhafter Kerl, der am liebsten zur Jagd ging,den Frauen nachstieg und als großer Feldherr posierte, diesen Titel nicht verdiente.
    Weitere Projekte D’Azeglios waren ein Friedensvertrag mit Österreich und die Entmachtung der Kirche in Piemont. Während seiner Amtszeit wurden die Siccardi-Gesetze erlassen, die Religionsfreiheit einführten, die kirchliche Zensur abschafften, der kirchlichen Kontrolle über das Bildungswesen Einhalt geboten und die Zuständigkeit der staatlichen Zivil- und Strafgerichte auch für Priester festlegte. Dennoch zeigte er wenig Enthusiasmus für sein Amt und gab es im Herbst 1852, nach dreieinhalb Jahren, erleichtert wieder auf. Inzwischen hatte er Schwierigkeiten mit parlamentarischen Gegnern, die einen härteren Kurs gegen den Klerus forderten, und dem König, der ihn zu hart fand und sich weigerte, weitere Gesetze zu unterschreiben, »die dem Papst missfallen« könnten. Auch ein Minister, den er selbst in die Regierung geholt hatte, bereitete ihm Schwierigkeiten: der arrogante, durchsetzungsfähige Cavour, der in Kabinettssitzungen den Ton angab und im Parlament politische Maßnahmen verkündete, ohne zuvor seine Kollegen zu konsultieren.
    Bei seinem Rücktritt verzichtete D’Azeglio auf eine Pension und auf Ehrungen und lehnte sogar den Annunziaten-Orden ab, der ihm das Privileg eingeräumt hätte, den König als seinen »Vetter« zu betrachten. Wie er Vittorio Emanuele mitteilte, wollte er zur Malerei zurückkehren, und für einen Vetter des Königs gehöre es sich nicht, Bilder zu verkaufen. Dennoch zog er sich nicht ganz aus der Politik zurück, und in seinen Briefen aus dieser Zeit erweist er sich als Italiens klügster und kenntnisreichster Kommentator zu politischen Fragen, den sein Nachfolger Cavour und König Vittorio Emanuele in den nächsten Jahren häufiger hätten zu Rate ziehen sollen. Ein Dienst, zu dem man ihn überredete, bestand darin, den König bei seinen Staatsbesuchen in London und Paris im Jahr 1855 zu begleiten. Seine Hauptaufgabe war es, in England darauf zu achten, dass Vittorio Emanuele sich nicht mit Patzern und derben Witzen bei Hof unbeliebt machte und darauf verzichtete, Reden auf Italienisch zu halten, das er nur schlecht beherrschte. Im letzten Moment schloss sich Cavour der Reisegruppe an und bewog Vittorio Emanuele, sich seinen gewaltigen Schnurrbart stutzen zu lassen, aber weder er noch D’Azeglio konnten ihn daran hindern, in beiden Hauptstädten bösartigen Klatsch auszustreuen und der verblüfften Königin Victoria zu versichern, er hoffe, Mazzini hinzurichten und die Österreicher vernichtend zu schlagen.
    Camillo Benso Graf von Cavour war ein völlig anderer Charakter als sein Vorgänger. Beharrlich und kraftvoll, war er der geborene Parlamentarier, der eine klare Sprache sprach und häufig in Debatten eingriff. Er dominierte das kleine»subalpine Parlament« in Turin, einen ovalen Saal im Palazzo Carignano mit vergoldetem Dekor und roten Samtpolstern, der eher an ein Theater oder ein Bühnenbild erinnerte als an ein Abgeordnetenhaus. Auch im Kabinett hielt er stets das Heft in der Hand und erledigte häufig Aufgaben von Kollegen, deren Fähigkeiten er misstraute. 1855 übernahm er neben seiner Rolle als Ministerpräsident noch das Amt des Außen-, Finanz- und Marineministers.
    Im Unterschied zu D’Azeglio fehlte es Cavour an Patriotismus. Gefühlsmäßig hatte es ihn immer in den Nordwesten Europas gezogen, er wollte Großbritannien und Frankreich bereisen und sehen, was in diesen Ländern vor sich ging, denen seine ganze Bewunderung galt. In Italien blieb er am liebsten in Piemont, sein Interesse für die restliche Halbinsel hielt sich in Grenzen, und die Landstriche südlich von Pisa besuchte er nie. Noch in seinen letzten Lebensjahren bedachte er die Idee der Einigung Italiens mit Hohn und Spott und beklagte noch 1856, der venezianische Patriot Manin, der nun für die italienische Unabhängigkeit eintrat, beschäftige sich zu sehr mit »der Idee der italienischen Einheit und derlei Unsinn«. *151
    Doch nach den Ereignissen von 1848/1849 und seinen Erfahrungen unter D’Azeglio

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