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Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilmour
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war er erpicht auf einen weiteren Kampf gegen Österreich. Mit Unterstützung Großbritanniens und Frankreichs hätte er die Österreicher aus Italien vertreiben und die Oberherrschaft Piemonts auf den ganzen Norden Italiens ausdehnen können, davon war er überzeugt.
    Sich bei diesen potenziellen Bündnispartnern einzuschmeicheln war ein Ziel, das er gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Premier ins Auge fasste. Zu diesem Zweck wollte er ihnen militärische Hilfe im Krimkrieg gegen Russland anbieten. Doch die Idee kam weder bei seinen Kabinettskollegen noch in der Öffentlichkeit an, die nicht begriff, was Piemont durch eine Einmischung in die »orientalische Frage« gewinnen konnte. Cavour blieb aber hartnäckig, hoffte er doch, dass seine neuen Verbündeten dankbar wären und der Krieg den militärischen Ruf Piemonts wiederherstellen konnte. Wie spätere italienische Politiker wünschte er sich sehnlichst, dass sein Land von den Mächten Nordwesteuropas ernst genommen würde. 1855 entsandte er eine kleine Streitmacht ans Schwarze Meer, wo viele italienische Soldaten an Cholera starben. Gegen Ende des Kriegs leisteten die Italiener einen kleinen Beitrag zum Sieg Frankreichs. Im Friedensvertrag von Paris erhielt Piemont allerdings keine Zugeständnisse.
    Zwei Jahre später bot Cavour den Briten an, ihnen eine seiner Fregatten zu überlassen, um ihren »heldenhaften Soldaten« bei der Niederschlagung des Indischen Aufstands von 1857 beizustehen. Das war ein nicht minder bizarrer Vorschlag, zumal diese Helden in Delhi, Kanpur und Lakhnaukämpften (alle Orte lagen mindestens 800 Kilometer vom Meer entfernt) – und ein interessantes Beispiel für die Anglophilie der Risorgimento-Führer. Auch Garibaldi, der wie Cavour und Mazzini die Unabhängigkeit Irlands ablehnte, unterstützte die Briten gegen die »Meuterer«. Überdies stellte er einen schmeichelhaften Vergleich zwischen den Briten und den alten Römern an und versicherte ihnen, ihr Land sei »führend im Fortschritt der Menschheit, ein Feind des Despotismus, der einzige sichere Hafen für die Verbannten und ein Freund der Unterdrückten«. Theatralisch fügte er hinzu, sein Schwert sei stets bereit, wenn England es benötige. Auch D’Azeglio geriet ins Schwärmen und meinte, »die englische Zivilisation« sei »die beste, die die Menschheit bisher [hat] entwickeln können«. Im Gegenzug liebten die Engländer Garibaldi, bewunderten D’Azeglio, mochten und respektierten Mazzini. Wer mit Cavour zu tun hatte, schätzte seine Fähigkeiten, hielt ihn aber für wenig vertrauenswürdig und für skrupellos. Wie Außenminister Lord John Russell feststellte, war er einfach »zu französisch & zu verschlagen«. *152
    Cavours Außenpolitik der Gesten ging mit einem klügeren und pragmatischeren innenpolitischen Kurs einher. Die 1850er Jahre waren das große Jahrzehnt der piemontesischen Geschichte: Zölle wurden abgeschafft, der Wohlstand wuchs, die Eisenbahn trat ihren Siegeszug an, und die Textilindustrie wurde wettbewerbsfähig. Vieles davon war Cavour zu verdanken, der etwas vom Wirtschafts- und Geschäftsleben verstand. Auch wehte der frische Wind des Liberalismus. In Piemont ging es freier und entspannter zu als anderswo, sogar Mazzinis Werke lagen in Buchhandlungen aus (obwohl Mazzini selbst ins Exil nach England zurückgekehrt war). Die Zensur wurde allerdings nicht abgeschafft, und einige Absonderlichkeiten blieben bestehen. So musste für die Aufführung in Turin der Schauplatz von Verdis Oper I vespri siciliani (Die Sizilianische Vesper), die in Paris uraufgeführt worden war, nach Portugal verlegt werden. Offenbar erachtete man ihr Thema als zu brisant für italienische Patrioten, die sich mit dem Gedanken einer französisch-piemontesischen Allianz trugen. Die Oper mit dem neuen Titel Giovanna de Guzman empörte den Kritiker der Gazzetta Piemontese, der sich über die Handlung lustig machte. Die Übersetzung war schlecht, aber schon das französische Libretto war so misslungen, dass Verdi sogar versuchte, seinen Vertrag mit der Pariser Oper zu kündigen. *153
    Das verbesserte Image Piemonts führte zu einem erstaunlichen Rollentausch. Früher waren piemontesische Dissidenten über die Grenze in die freieren Städte Florenz und Mailand gegangen, jetzt war Turin für Patrioten aus der Lombardei, Venetien und den Herzogtümern der Poebene attraktiv. D’Azeglio hieß Tausende Einwanderer unter der Bedingung willkommen, dass sieder Politik abschworen. Davon

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