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Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilmour
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Siehe oben S. 41.
    16 Das Junge Italien inspirierte die Gründung zahlreicher Organisationen weltweit, unter anderem zu Beginn des 20. Jahrhunderts das hindu-nationalistische Junge Indien, dessen Mitglieder bei einem russischen Revolutionär in Paris das Bombenbasteln lernten, um Anschläge gegen die Briten zu verüben. Das Junge Indien wiederum inspirierte den Hindu-Extremisten Nathuram Godse, der 1948 Mahatma Gandhi tötete.

7
ITALIEN AUF DEM WEG ZUR EINHEIT
PIEMONT IN DEN 1850ER JAHREN
    Wäre das Habsburgerreich 1848 geschlagen worden, hätte das siegreiche neue Italien ganz anders ausgesehen als das Staatsgebilde, das ein gutes Jahrzehnt später aus der Taufe gehoben wurde. Wie das 1871 gegründete Deutsche Reich wäre es eine Konföderation von Staaten mit je eigener Regierung und eigenem Parlament geworden. 17 Selbst die im Norden dominierende Macht Piemont wäre nicht in der Lage gewesen, den Rest der Halbinsel zu »piemontisieren«. Die wichtigsten Herrscher südlich von Piemont – der Papst, der Großherzog der Toskana und der König von Neapel – hatten Anfang 1848 ein Parlament akzeptiert, und sie hätten in einer Konföderation als konstitutionelle Monarchen ohne Weiteres im Amt bleiben können. Der Status Ferdinands II. von Neapel und Leopolds II., Großherzog der Toskana, wäre dann mit dem der Könige von Württemberg und Bayern im Jahr 1871 vergleichbar gewesen.
    Der große Verlierer von 1849 war, so schien es, Piemont, aber die wahren Opfer des österreichischen Erfolgs in Italien waren die Revolution und der Föderalismus. Ungeachtet der Leidenschaft Mazzinis und des Heroismus Garibaldis fanden sich viele ihrer patriotischen Zeitgenossen damit ab, dass die Unabhängigkeit nicht durch Verschwörungen und Guerillakampf zu gewinnen war. Auch schien eine italienische Konföderation nicht hinreichend stark, um sich der militärischen Streitmacht des Habsburgerreichs zu stellen. Was Italien brauche, so erklärten die Patrioten nun, sei eine starke Dynastie wie die Hohenzollern in Preußen, die Italien helfenkönnte zusammenzuwachsen. Und nachdem Neapel und die Toskana ihre Verfassungen kassiert und sich auf die Seite der Österreicher geschlagen hatten, blieb als einziger infrage kommender Kandidat das Haus Savoyen, das nun durch Carlo Albertos Sohn Vittorio Emanuele II. vertreten wurde. Dem Haus Savoyen gelang es jedenfalls, aus einer peinlichen Niederlage und einem katastrophalen Krieg, der mit einer Abdankung geendet hatte, als Bannerträger Italiens hervorzugehen, als Könige der einzigen konstitutionellen und antihabsburgischen Monarchie der Halbinsel.
    Eine bedeutende Rolle bei der Rehabilitierung Piemonts spielte der unverhofft zum Staatsmann gewordene Massimo D’Azeglio, der im Frühjahr 1849 der Verzweiflung nahe war. »Das italienische Volk«, so sein Urteil, sei »zu 20 Prozent dumm, schurkisch und kühn, zu 80 Prozent dumm, ehrenhaft und zaghaft, und so ein Volk hat die Regierung, die es verdient.« Nicht die Österreicher, sondern die Italiener seien das eigentliche Problem Italiens. »Selbst wenn die Österreicher aus freien Stücken abzögen, wären wir noch längst keine Nation … Wir müssen uns Gedanken darüber machen, Italiener zu schaffen, wenn wir ein Italien wollen.« *150
    D’Azeglio wurde im Mai 1849 trotz mangelnder Parlaments- und Verwaltungserfahrung zum Ministerpräsidenten von Sardinien-Piemont ernannt. Er war zwar im Juni des Vorjahres ins Turiner Parlament gewählt worden, nahm aber wegen seiner Verwundung in Vicenza selten an den Sitzungen teil. Offenbar brachte er weder die Begeisterung noch die Qualifikation für ein hohes Staatsamt mit, und die ihm angebotenen Ministerposten hatte er bereits abgelehnt. Selbst als Ministerpräsident verhehlte er nicht seine Ungeduld und Langeweile in den Debatten, an denen er sich selten beteiligte. Dennoch war ihm unerwarteter Erfolg beschieden. Als aufrechter, klarsichtiger Politiker, in der Heimat wie im Ausland bewundert, waren seine Klugheit und seine Mäßigung entscheidend für die Konsolidierung des parlamentarischen Systems.
    Dass es ihm gelang, den neuen König zur Annahme der Verfassung zu bewegen, war seine vielleicht bedeutendste Leistung. Vittorio Emanuele hätte das Parlament am liebsten ganz abgeschafft, aber D’Azeglio überzeugte seinen schroffen, ungehobelten Monarchen, ein System beizubehalten, das ihm die Macht einräumte, die er am meisten begehrte: den Oberbefehl über die Streitkräfte und die Befugnis,

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