Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)
verlangte Napoleon, Cavour solle eine strengere Zensur ausüben, und als Folge davon wurde ein kleines, harmloses republikanisches Blatt in Genua verboten. Zuvor hatte er erfolglos versucht, die Briten zur Ausweisung Mazzinis zu veranlassen, obwohl Napoleon, der selbst als Flüchtling in England Verschwörungen gegen den Kontinent ausgeheckt hatte, wohl durchaus ein wenig Mitgefühl mit dem italienischen Revolutionär empfand.
Es gab mehrere Gründe, warum Napoleon erneut eine französische Streitmacht nach Oberitalien führen wollte. Einer davon mag atavistischen Regungen entsprungen sein: Dass die beiden großen katholischen MächteEuropas in der Poebene Krieg führten, war eine Tradition, die so weit zurückreichte, dass es fast eine normale Spielart zwischenstaatlichen Verhaltens schien. Ein wichtigerer Grund war national und politisch. Das militärische Ansehen Frankreichs nach Waterloo war durch den Feldzug auf der Krim nicht hinreichend wiederhergestellt, und es bedurfte eines handfesten Siegs auf einem eher traditionellen Schlachtfeld, um die Vormachtstellung in Europa zurückzuerobern. Ein solches Ergebnis konnte als Dreingabe auch territorialen Zugewinn bringen, insbesondere Nizza und Savoyen, das Cavour zu opfern bereit war, wenn er die Lombardei und Venetien erhielt. Ein drittes, gleichfalls wichtiges Motiv war die Prestigesucht des Kaisers. Ebenso wie sein Onkel war er entschlossen, im europäischen Hochadel eine Bonaparte-Dynastie zu verankern, und bestand darauf, Vittorio Emanueles 16-jährige, reputierliche Tochter Marie Clothilde solle seinen liederlichen 36-jährigen Vetter Prinz Napoleon heiraten. Er war zwar nicht annähernd so stark dem Militär und dem Militarismus verfallen wie der erste Napoleon, aber er strebte doch nach ein wenig persönlicher gloire , um seine Popularität im eigenen Land zu steigern. Dieses Bemühen war erfolgreich, seine Siege gegen Österreich 1859 und der anschließende Friede wurden mit Feuerwerken gefeiert.
Aber Napoleon III. hatte noch ein uneigennütziges Motiv. Eingedenk seiner Jugend in Italien teilte er die patriotischen Bestrebungen des Landes, auch wenn er hoffte, dass ein künftiger norditalienischer Staat auf ein Bündnis mit Frankreich angewiesen wäre. Erstaunlicherweise ließ der Mordanschlag auf ihn seine Sympathie für die Sache des Attentäters wachsen. Er bemühte sich nach Kräften, Orsini vor der Guillotine zu retten, und als sich dies politisch nicht durchsetzen ließ – Orsinis Bombe hatte zwar den Souverän verfehlt, aber acht andere Menschen getötet –, forderte er den Italiener auf, in einem Offenen Brief an ihn zu appellieren, das patriotische Anliegen zu unterstützen. Danach war Napoleon bereit, für diese Sache zu kämpfen, solange Cavour den Anschein erwecken konnte, die Aggression gehe von Österreich aus.
Im Juli 1858 fand in Plombières-les-Bains, einem Kurort in Lothringen, ein geheimes Treffen zwischen dem Kaiser der Franzosen und dem piemontesischen Ministerpräsidenten statt, bei dem die Zukunft Italiens verhandelt wurde. Nach dem Krieg gegen Österreich sollten auf der Halbinsel drei ansehnliche Staaten entstehen: Piemont, erweitert um Parma, Modena, Lombardo-Venetien und die Romagna; die Toskana, ergänzt durch Umbrien und die Marken des Kirchenstaats; und die Beiden Sizilien, wo anstelle der Bourbonen der Vetter des Kaisers Lucien Murat, ein Sohn König Joachims von Neapel, regieren sollte. Der Plan war nicht undurchführbar, aberes war naiv zu glauben, die Marken, die kaum historische Bindungen an die Toskana hatten, würden sich Florenz jenseits des Apennin unterwerfen. Abgesehen von Österreich wäre der große Verlierer bei dem Vorhaben das Papsttum, das einen Großteil seines Territoriums einbüßen sollte. Zum Ausgleich konnte der Papst Präsident einer italienischen Konföderation werden.
Aber der Plan war nicht zu realisieren, solange kein Vorwand für einen Krieg gefunden war. Und wie, überlegte Cavour, konnte man einen Konflikt provozieren, den der Feind gar nicht wollte, und gleichzeitig so tun, als würde man selbst nur ungern zu den Waffen greifen? Hinzu kam, dass die öffentliche Meinung in Frankreich und in Piemont gegen einen Krieg war. Die Begeisterung hielt sich sogar unter den Patrioten der Lombardei in Grenzen, wo nach einer repressiven Phase Anfang der 1850er Jahre die österreichische Herrschaft unter dem neuen Vizekönig Erzherzog Maximilian toleranter geworden war. (Später trat er eine kurze,
Weitere Kostenlose Bücher