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Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilmour
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verhängnisvolle Regierungszeit als Kaiser von Mexiko an.) Auch in England lehnte das Volk einen Konflikt ab, der zunehmend nach schlichtem Landraub aussah. Als Vittorio Emanuele im Januar 1859 im Parlament in Turin von dem »Schmerzensschrei« (grido di dolore) sprach, den er aus ganz Italien höre – ein Ausdruck, den er auf Wunsch Napoleons eingefügt hatte –, waren die Briten alles andere als beeindruckt und vermuteten zu Recht, die Schreie, wenn es sie denn gab, seien äußerst gedämpft. Die maßgeblichen Wortführer der Whigs, die 1859 an die Regierung gekommen waren – Palmerston, Russell und Gladstone –, fanden es zwar empörend, dass die Österreicher, »an Kultiviertheit eklatant unterlegen«, eine Willkürherrschaft über »eine sehr viel höher entwickelte Rasse« ausübten. Premierminister Palmerston meinte, die Österreicher hätten »in Italien nichts verloren« und seien dort nur »ein öffentliches Ärgernis«. *156 Aber sie glaubten nicht, dass die österreichische Besetzung der Lombardei einen europäischen Krieg rechtfertige, und sie sorgten sich, dass Cavour mehr an einer Vergrößerung Piemonts als an der Befreiung Italiens interessiert sei.
    Beunruhigt wegen des internationalen Widerstands, verlor Napoleon die Geduld und schlug vor, den Feldzug um ein Jahr zu verschieben. Cavour war wütend, vor allem auf die Briten, denen er Egoismus und Kleinlichkeit vorwarf. Als die Großmächte im März eine Konferenz vorschlugen, um die Lage zu besprechen, eilte er nach Paris, ließ eine Tirade vom Stapel und drohte, Piemont werde sich aus Rache mit England verbünden. Er scheue sich auch nicht, erklärte er, einen Flächenbrand zu entfachen und »Europa in Brand zu stecken«, um seinen Kopf durchzusetzen. Ein Plan sah vor, in Ungarn einen Aufstand gegen die Österreicher zu unterstützen. Aber die 20 000 Gewehre, die er denRebellen zukommen ließ, trafen erst ein, als der Aufstand vorbei war.
    Auf internationalen Druck stimmten Vittorio Emanuele und ein Großteil seines Kabinetts der Abrüstung zu, aber der Ministerpräsident hielt seine Stellung, bis ihn Frankreich Mitte April zum Einlenken zwang. Obwohl sich Cavours Träume in Luft aufgelöst hatten, wurden sie schon in der folgenden Woche wieder lebendig, als die Österreicher die Nerven verloren und in einem Ultimatum forderten, Piemont müsse seine Armee verkleinern und die Freiwilligen nach Hause schicken. Als Cavour von diesem ungeschickten Schritt erfuhr, war er so euphorisch, dass er das Fenster seines Büros aufriss und, obzwar unmusikalisch, eine Arie aus dem Troubadour schmetterte. In den Augen der über die habsburgische Provokation staunenden Europäer war er nun plötzlich der bedrängte Staatsmann und nicht mehr der berechnende Aggressor. Überdies konnte der ersehnte Krieg jetzt gegen einen Feind ausgetragen werden, der die Sympathie und Unterstützung anderer Staaten verspielt hatte.
    Die Österreicher begingen nun den ehrenwerten Fehler, die drei Tage bis zum Ablauf des Ultimatums abzuwarten, und verpassten dadurch die Chance, Turin einzunehmen, bevor die französische Armee eintraf. Entschieden wurde das Kräftemessen im Juni durch zwei Schlachten in der Lombardei, die Frankreich für sich entschied, aber die italienischen Verbündeten taten sich dabei nicht besonders hervor. Bei der Schlacht von Magenta wurde so viel Blut vergossen, dass der Boden zum Namensgeber für die Farbe wurde. Piemontesisches Blut floss allerdings kaum, denn Vittorio Emanueles Armee traf erst gegen Abend ein, als der Kampf schon vorbei war. Bei der zweiten, der Schlacht von Solferino, bewegte der Anblick der Verwundeten, die nur noch auf den Tod warteten, den Schweizer Henry Dunant so sehr, dass er mit Unterstützung einheimischer Frauen erste Hilfe leistete und dann in die Schweiz zurückreiste und das Rote Kreuz begründete.
    Bei Solferino kämpften die Piemontesen an der Seite des französischen Heers unweit des Dorfes San Martino. Aber auch diese Schlacht wurde von Napoleons Divisionen entschieden; bei San Martino fand allenfalls ein Ringen zwischen Vittorio Emanueles Armee und einer viel kleineren habsburgischen Streitmacht statt. Ungeachtet der kriegerischen Tradition ihres Landes hatten die piemontesischen Befehlshaber offenbar keine Ahnung, wie man eine Schlacht austrägt.
    Artilleriefeuer und ein konzertierter Infanteriesturm hätte die Österreicher zum Rückzug zwingen können. Aber ein Großteil der Geschütze war zu weit entfernt postiert,

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