Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)
hinderte, die Armee zu befehligen. Andere Defizite zeigten sich beim Nachschub und bei der Logistik. Die Piemontesen hatten nicht genug Pferde, und die vorhandenen wurden oft lahm, weil es nicht genügend Hufeisen gab. Die Armee besaß weder Vorräte noch Uniformen, ja nicht einmal brauchbare Landkarten von der Lombardei in ausreichender Zahl. Die Soldaten waren in Stiefeln unterwegs, die in der Sommerhitze schwer wie Holzklötze an den Füßen hingen. In Plombières-les-Bains hatte Cavour dem Kaiser eine Armee von 100 000 Mann angeboten, konnte aber nur halb so viele Soldaten bereitstellen. Auch hatten die Piemontesen geprahlt, sie könnten mit 200 000 Freiwilligen rechnen, aber nur 20 000 stellten sich ein, und selbst für sie gab es nicht annähernd genügend Waffen. Die 20 000 Gewehre, die nach Ungarn geschickt worden waren, hätte man in der Heimat dringend benötigt.
Vittorio Emanuele akzeptierte den Waffenstillstand, aber Cavour reagierte so heftig auf die Bedingungen, dass Beobachter meinten, er sei verrückt geworden. Er fuhr den König an und versuchte ihn zu nötigen, den Krieg ohne dieFranzosen fortzusetzen. Als Vittorio Emanuele diese irrsinnige Idee ablehnte, legte der Ministerpräsident sein Amt nieder und zog sich auf seinen Landsitz in Leri zurück, wo er Machiavelli studierte. Bald bereute er seinen überstürzten Rücktritt und schmiedete Ränke für einen erneuten Griff nach der Macht.
Während er den Feldzug gegen Österreich plante, bereitete Cavour auch eine Expansion nach Mittelitalien vor. Sein Plan wurde durch die denkwürdigen Ereignisse des 27. April in Florenz vorangebracht, als eine friedliche Demonstration einheimischer Patrioten, unterstützt von ein paar Soldaten, innerhalb weniger Stunden zu einer Revolution und zum Sturz des Hauses Habsburg-Lothringen führte. Großherzog Leopold II. hatte 1849 einen Teil seiner Popularität eingebüßt, als ihn eine österreichische Armee wieder auf den Thron setzte und sich für mehrere Jahre auf Staatskosten in der Toskana einquartierte. Dennoch erwies sich Leopold immer noch als milde und tolerant genug, um den Papst zu ärgern, der ihn für seine allzu große Freundlichkeit gegenüber Juden und Protestanten häufig rügte. Am Morgen des 27. April 1859 wünschten sich nur wenige Untertanen seinen Sturz, mit Ausnahme einiger Radikaler und Republikaner in Florenz und Livorno. Sogar gemäßigte Patrioten unter Führung von Baron Ricasoli und anderen liberalen Aristokraten hätten ihn gern behalten, sofern er bereit war, ein Bündnis mit Piemont einzugehen. Gegen Mittag dieses schicksalhaften Tages akzeptierte er diese Bedingung. Beunruhigt durch das Ausmaß der Demonstration und das Hissen der Trikolore willigte er sogar ein, sich für neutral zu erklären und eine Regierung aus Liberalkonservativen einzusetzen. Als diese Konzessionen die Demonstranten nicht beschwichtigen konnten, meinten moderate Anführer, der Großherzog könne eine Revolution verhindern und seine Dynastie retten, wenn er zugunsten seines Sohnes abdankte. Ob diese Taktik erfolgreich gewesen wäre, wissen wir nicht, weil Leopold sie nicht ausprobieren wollte. Statt abzudanken, beschloss er, die Toskana zu verlassen. Nach zwei Dynastien und über 300 Jahren als Großherzogtum sahen die Bewohner der Toskana die Abreise ihres letzten Souveräns nicht ohne Bestürzung und Trauer.
Die Lage in der Toskana konnte man nutzen, aber Cavour wusste, dass er die öffentliche Unterstützung dort und anderswo in Mittelitalien brauchte, damit seine Expansionspolitik im übrigen Europa akzeptiert wurde. Die Situation in der Lombardei erwies sich als kläglich. In Mailand war das patriotische Feuer von 1848 nicht wiederaufgeflammt, und es gab auch keine »Fünf Tage« des Heroismus und Selbstopfers auf den Barrikaden. Der Korrespondent der Londoner Times konnte weder Unruhen in der Lombardei entdecken noch Anzeichen antiösterreichischer Stimmung im ländlichen Piemont, wo er sogar Menschen sah, die die österreichischen Soldaten willkommen hießen, ihnen bei der Überquerung eines Flusses halfen und fragten, warum sie nicht eher gekommen seien. Ihre Regierung sei ihnen verhasst, erklärten sie, weil sie ihnen Steuern aufbürde, um eine Armee zu unterhalten, die sie nicht wollten und sich nicht leisten konnten. *159
Cavour war entschlossen, in den Herzogtümern Mittelitaliens den Patriotismus besser zu präsentieren, und beauftragte Giuseppe La Farina, den Sekretär der Società nazionale,
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