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Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilmour
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»spontane« Demonstrationen für die italienische Sache zu organisieren. La Farina versicherte zwar dem Ministerpräsidenten, er sei dazu in der Lage, aber die Società nazionale brachte es nicht fertig, in den Städten der Poebene große Kundgebungen auf die Beine zu stellen. Entsetzt musste Cavour feststellen, dass sich die patriotische Begeisterung im Sommer 1859 in Grenzen hielt, während sich der enttäuschte Napoleon düpiert fühlte.
    Österreichs Niederlage bei Magenta und der Rückzug seiner Garnisonen aus dem Kirchenstaat hatten jedoch eine revolutionäre Situation geschaffen. Die Herrscher von Parma und Modena flüchteten aus ihren Hauptstädten, und in ihren Herzogtümern wurden – wie in der Toskana und der Romagna – von Patrioten geführte provisorische Regierungen eingesetzt. Diese lehnten die Bedingungen des von Österreich und Frankreich geschlossenen Vorfriedens von Villafranca ab, erklärten die Herzogsdynastien offiziell für abgesetzt und forderten die Annexion durch Piemont. Maßgebliche Akteure waren Bettino Ricasoli in Florenz und Luigi Carlo Farini in Modena, die in ihren Städten wie Diktatoren regierten und, während Cavour auf seinem Landgut schmollte, den Waffenstillstand sabotierten und die patriotische Bewegung in Schwung hielten. Zur rechten Zeit erhielten sie Unterstützung durch die liberale Whig-Regierung in London, die sich scheinheilig über »die erfreulichen Aussichten eines Volkes« begeisterte, das »das Gebäude seiner Freiheit errichtet und das Werk seiner Unabhängigkeit stärkt, begleitet von den Sympathien und guten Wünschen Europas«. *160
    Cavour besaß in Piemont immer noch so großen Einfluss, dass er im Januar 1860, obwohl der König Unwillen zeigte, wieder im Amt war. Da er nicht nur ein außerordentliches Improvisationstalent besaß, sondern auch die Fähigkeit, die Gunst der Stunde zu nutzen, sah er die Chance, die Vertragsregelungen von Plombières-les-Bains und Villafranca auszuhebeln und mittels Plebisziten Mittelitalien zu annektieren. Er mochte Ricasoli nicht, der arrogant und prinzipientreu war und ihm gegenüber respektlos auftrat, doch er konnte auf Ricasolis Mitarbeit nicht verzichten. Mit der Toskana wäre Piemont einnorditalienisches Königreich, ohne sie nur ein größeres Piemont geworden.
    Ricasoli war ein florentinischer Patriot, der sich seit Langem für die italienische Einigung einsetzte. Aber er wollte eine echte Union – er sprach von fusione , Vereinigung –, und nicht einfach eine Annexion durch Piemont. Viele Toskaner hatten genau wie er das Gefühl, sie seien italienischer und kultivierter als die Piemontesen, und sie wollten in dem neuen Staatsgebilde keine untergeordnete Rolle spielen. Cavour versuchte, ihre Ängste durch das Versprechen der Autonomie zu beschwichtigen, aber Ricasoli konnte sich für einen Volksentscheid zur Annexion immer noch nicht erwärmen. Dieser stolze, hochgesinnte Mann, dessen Strenge nur durch seine Freude an der Chianti-Herstellung gemildert wurde, hatte eine schicksalsschwere Entscheidung zu treffen: Er hatte die Wahl zwischen finis Etruriae , dem Ende einer langen Tradition der Unabhängigkeit, und der Wahrung dieser Unabhängigkeit mit der Gefahr, dass die Toskana zum unbedeutenden Zwergstaat abstieg, einer Art Monaco, umgeben von einem neuen Staat, der in den Kreis der großen Nationen Europas aufgenommen werden konnte. In diesem Dilemma hielt Ricasoli schließlich an der nationalen patriotischen Sache fest. Aber noch nachdem sich die Toskaner mit großer Mehrheit für die Annexion ausgesprochen hatten, grübelte er darüber nach, ob seine Landsleute wohl eines Tages die Einigung verfluchen würden, deren treibende Kraft er war. Später sagte er, er finde das piemontesische »Joch« unangenehmer als das österreichische, weil die neuen Herrscher nicht begreifen könnten, wie sehr die Toskaner »Italiener sein und einen neuen italienischen Geist spüren« wollten. *161
    Im Frühjahr 1860 war die patriotische Leidenschaft in Nord- und Mittelitalien zweifellos stärker als im Sommer des Vorjahres. In der Volksabstimmung sprachen sich in der Toskana nur 15 000 Wähler für ein eigenständiges Königreich anstelle der Annexion durch Piemont aus, in der Emilia Farinis – einer neuen Region, bestehend aus Modena, Parma und der Romagna – offiziell sogar nur 756 Wähler, eine unwahrscheinlich geringe Zahl. Plebiszite gab es auch in Nizza und Savoyen. Diese Gebiete hatte man Napoleon versprochen, zuerst in

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