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Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilmour
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und statt ihre Kräfte in einem Sturmlauf zu bündeln, wechseltensich die Infanteriebrigaden ab, griffen mit dem Bajonett an und konnten die Reihen der Österreicher nicht durchbrechen.
    Die klägliche Leistung Piemonts mag teilweise Vittorio Emanuele zuzuschreiben sein, der auf seinem verfassungsmäßigen Recht beharrend den Oberbefehl führte. Der König bewies Mut und scheute auch das feindliche Feuer nicht, aber die Qualitäten eines Generals besaß er nicht. In der Schlacht zeigte er sich vor seinen Offizieren ratlos, unentschlossen und unvertraut mit der Topographie. Gefolgt von seinem Stab, galoppierte er über das Terrain, und seine Feldkommandeure wussten nicht, wo er steckte, wenn sie Verstärkung brauchten. Als einer von ihnen vorschlug, er solle sich auf eine Anhöhe begeben, damit er die Schlacht beobachten und von den Truppen gesehen werden konnte, schien ihn die Idee zu erstaunen. *157
    Dennoch konnten die Piemontesen einen Erfolg für sich beanspruchen, denn am Abend waren die Österreicher, die den ganzen Tag Angriffe abgewehrt hatten, gezwungen, sich ihren Kameraden anzuschließen, die von den Franzosen geschlagen worden waren. Die Dörfer, die während der Schlacht von den Italienern nicht erobert werden konnten, wurden nun, als sich der Feind zurückzog, besetzt, und umgehend wurde ein glorreicher Sieg proklamiert. Die Schlacht gewann den Status eines italienischen Austerlitz und wurde dementsprechend in Schulbüchern verewigt. Vor Ort errichtete man ein Risorgimento-Museum sowie einen hohen Turm mit Wendeltreppe und Fresken, die Episoden aus den »Unabhängigkeitskriegen« darstellen. Wie in den meisten Gedenkstätten jener Epoche ist Vittorio Emanuele das Hauptmotiv für Fresken und Skulpturen. Ein Gemälde zeigt ihn, wie er von einem römischen Legionär ins Forum geleitet wird, als solle er mit Caesar und Scipio Africanus in ein Pantheon aufgenommen werden. In der Nähe befindet sich ein Ossarium, eine Knochenkapelle, auf deren Seitenwand die Namen aller in diesem Jahr 1859 getöteten italienischen Soldaten aufgelistet sind, während sich an der Ostseite ihre Schädel auf Regalen über Schichten menschlicher Knochen stapeln.
    Zwei Wochen nach der Schlacht schlug Napoleon einen Waffenstillstand und eine Unterredung mit seinem Kriegsgegner, dem Habsburger Franz Joseph vor. Die beiden Kaiser trafen in Villafranca bei Verona zusammen und einigten sich, ohne Vittorio Emanuele zu konsultieren, auf einen Friedensvertrag. Österreich sollte Venetien behalten; die Lombardei sollte, mit Ausnahme der Festungsstädte Mantua und Peschiera, an Piemont fallen; die habsburgischen Herrscher der Toskana und Modenas konnten auf den Thron zurückkehren, von dem sie unlängst abgesetzt worden waren; und es sollte eine italienische Konföderation gegründet werden, an der Österreichin seiner Rolle als Herrscher über italienisches Territorium beteiligt wäre.
    Nach seinen beiden Siegen hätte Napoleon den Krieg mit der Aussicht, Venetien zu erobern, fortsetzen können. Doch anders als seinen Onkel ließ ihn der Anblick von Gefallenen nicht kalt, und das Blutvergießen von Magenta und Solferino widerte ihn an. Auch sah er beunruhigende Anzeichen für einen Kriegseintritt Preußens auf der Seite Österreichs, falls sich der Konflikt fortsetzte. Ein dritter Faktor bei seiner Entscheidung war die Desillusionierung über seine piemontesischen Verbündeten. Im Glauben, er führe einen Befreiungskrieg, stellte er enttäuscht fest, dass die Lombarden gar nicht darauf erpicht waren, befreit zu werden. Auch verstimmte ihn die militärische Leistung der Piemontesen. Nach Solferino hatte er geplant, nach Osten zu den vier österreichischen Festungen, dem sogenannten Festungsviereck, vorzurücken. Die Aufgabe, die nordwestliche, Peschiera, zu erobern, hatte er seinen italienischen Verbündeten übertragen. Die Piemontesen hätten für die Mission gut gerüstet sein müssen, denn sie hatten unlängst in Schweden einen Belagerungszug eingekauft, den sie aber unglücklicherweise mitzubringen vergaßen. Als Napoleon von dem Missgeschick erfuhr und hörte, dass die Artillerie erst in drei Wochen eintreffen würde, beschloss er, den Krieg zu beenden. *158
    Das Fiasko um den Belagerungszug war nicht der einzige Fehler, den Cavour als Kriegsminister und Ministerpräsident in Personalunion mitzuverantworten hatte. Sein ungeheuerlichstes Versäumnis bestand wohl darin, dass er seinen unerfahrenen und unfähigen Monarchen nicht daran

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