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Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilmour
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Plombières und später zum Dank für die französische Hilfe bei den italienischen Annexionen. Cavour musste so tun, als sei kein Versprechen gegeben worden. Schließlich war Nizza Garibaldis Heimatstadt. Und außerdem konnte er den savoyischen Soldaten, die er für den Krieg brauchte, schwerlich erklären, dass sie für das Privileg einer neuen Staatszugehörigkeit kämpften. Der Plan, der im März 1860 an die Öffentlichkeit drang, wurde von Garibaldi verurteilt. Nizza habe sich im Jahr 1388 »Piemont unter der Bedingung angeschlossen, dass es niemalsan eine fremde Macht veräußert werde«. Der berühmteste Sohn Nizzas plante überdies zusammen mit dem englischen Abenteurer Laurence Oliphant eine verrückte Verschwörung. Sie beschlossen, am Tag der Volksabstimmung mit 200 Freiwilligen nach Nizza überzusetzen, die Wahlurnen kaputtzuschlagen und die Stimmzettel zu verbrennen. Anschließend würde sich, so Oliphants unzuverlässiger, nicht überprüfbarer Bericht, Garibaldi zum Präsidenten eines unabhängigen Nizza ausrufen. *162 Der Plan wurde vereitelt und der Ruf des großen Mannes gerettet, weil man ihn nach Sizilien rief, womit seiner Unsterblichkeit nichts mehr im Wege stand. Oliphant ging allein nach Nizza, wo ihm auffiel, dass es in dem Wahllokal, das er besuchte, keine Nein-Stimme gab. Das Verhältnis der Befürworter zu den Gegnern einer Annexion durch Frankreich lag bei 100 : 1, in Savoyen sogar bei über 500 : 1. Wie in der Emilia konnten nur Druck und Manipulation für Mehrheiten von 99 Prozent gesorgt haben.

VENEDIG (1866) UND ROM (1870)
    Am 17. März 1861 wurde offiziell das Königreich Italien proklamiert. Es umfasste nun zwar die Territorien Parma, Modena, Toskana, einen Großteil der Lombardei und des Kirchenstaats sowie das Königreich beider Sizilien, aber konstitutionell war es immer noch Piemont: jetzt unter einem neuen Namen, aber mit demselben Monarchen, der alten Hauptstadt und sogar derselben Verfassung. Die erste Legislaturperiode des neuen Staates bezeichnete man als die achte, weil sie auf die sieben vorhergehenden Piemonts folgte. Der piemontesische Charakter des Königreichs wurde auch dadurch unterstrichen, dass der König seinen alten Titel behielt – Vittorio Emanuele II. –, obwohl Italien nie von einem Vittorio Emanuele I. regiert worden war.
    In dem neuen Parlament, bestehend aus einer gewählten Abgeordnetenkammer und einem vom König ernannten Senat, saßen weitgehend Männer ohne parlamentarische Erfahrung. In der Abgeordnetenkammer, wo für die noch uneroberten Regionen Venetien und Rom symbolisch 57 Plätze unbesetzt blieben, bezweifelte kaum einer, dass auch diese bald eingenommen würden. Cavour hatte wenige Jahre zuvor das Ziel der Einheit als »Unsinn« abgetan. Nun war er entschlossen, die neuen Parlamentarier noch während seiner Amtszeit als Ministerpräsident zu begrüßen. Es bleibe der nächsten Generation überlassen, weitere Territorien zu erwerben: Triest und Istrien, das schweizerische Tessin und Südtirol.
    Cavour war es nicht vergönnt, einen weiteren Gebietszuwachs mitzuerleben. Auf seine Gesundheit hatte er nie besonders geachtet, er aß zu viel, arbeitete zu hart und bewegte sich kaum, abgesehen vom Fußweg von seinem Haus zum Parlament in Turin, zu seinen Lieblingscafés und zum vornehmen Whist-Club, den er gegründet hatte. Außerdem litt er an Gicht und einem nicht diagnostizierten Fieber, vermutlich Malaria, die er sich wohl in den Reisfeldern seines Landguts zugezogen hatte. Das Fieber verschlimmerte sich imFrühjahr 1861, und geschwächt durch Blutungen und schlechte medizinische Versorgung starb er im Juni, kaum drei Monate nach der Gründung des italienischen Staates, zu dessen Entstehen er so viel beigetragen hatte. Der Tod des 50-Jährigen war eine Katastrophe für den jungen Staat, der seinen Erfinder brauchte, damit die Erfindung weiter gedieh, so wie das Deutsche Reich Otto von Bismarck brauchte, der nach der Einigung Deutschlands unter preußischer Führung noch 20 Jahre lang im Amt blieb. So skrupellos Cavour vorging, er war ein herausragender Politiker, der intuitiv und energisch handelte und die Fähigkeit besaß, noch die aussichtslosesten Situationen zu nutzen. Keiner seiner Kollegen besaß annähernd seine Statur, vielleicht mit Ausnahme des Toskaners Ricasoli, dessen Tatkraft jedoch durch seine Sturheit und sein geringes politisches Geschick begrenzt blieb. Cavour war fast zehn Jahre lang Ministerpräsident gewesen, und viele

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