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Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilmour
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Freude D’Azeglios, der die Stadt liebte und hoffte, sie würde diesen Status für alle Zeit behalten. Der Palazzo Pitti wurde königliche Residenz, in dem älteren Palazzo Medici neben dem Dom fand das Innenministerium Platz,die Uffizien beherbergten den Senat, und der Palazzo della Signoria wurde zur Abgeordnetenkammer. Im Piemont führte die Nachricht, Turin verliere seinen Rang als Hauptstadt, zu einem Aufstand und einem Blutbad, verursacht von Soldaten. In dem offiziellen Untersuchungsbericht wurde die Bedeutung des Ereignisses heruntergespielt, aber die Zahl von 52 Toten und 130 Verwundeten genannt.
    Nach Aspromonte und der Vereinbarung mit Napoleon verlagerte sich die Aufmerksamkeit der Patrioten von Rom nach Venedig, ein weniger umstrittenes Ziel, weil es den Kaiser der Franzosen kalt lassen musste, wenn es erobert würde. Venedig schien auch quasi femininer zu sein. »Die Königin der Adria« figurierte in der Bildsprache jener Zeit als das bedrängte Burgfräulein, das von einem neuen mannhaften Italien gerettet werden müsse. Ein Gemälde von Andrea Appiani (dem Jüngeren) im Risorgimento-Museum in Mailand, betitelt Venezia che spera (Hoffendes Venedig), illustriert die Empfindungen der frühen 1860er Jahre. Es zeigt die Stadt als Königin in Weiß, deren Krone am Boden liegt, im Hintergrund ihr ohnmächtiger Löwe. Ein anderes Gemälde im selben Museum, gemalt nach der Rettung der verzweifelten Dame, stellt eine weibliche Italia dar, wie sie zwei weitere Frauen, Venedig und Rom, bei sich willkommen heißt.
    Weit verbreitet war das Gefühl, Italien brauche einen Sieg über Österreich, um Ansehen zu gewinnen, und müsse die Einigung ohne Unterstützung Frankreichs vollenden. So erklärte Francesco Crispi, Garibaldis einstiger Mitstreiter im Süden, im Parlament mit Nachdruck, Italiens »Würde« verlange einen heldenhaften Sieg über eine ausländische Macht, eine »Bluttaufe«, die Fremde für immer von der Halbinsel vertreiben werde. Mit Argumenten, die von italienischen Politikern noch 80 Jahre später nachgebetet wurden, forderte Crispi einen Sieg, damit »die großen Nationen Europas begreifen, dass auch [Italien] eine große Nation ist und die Kraft besitzt, sich in der Welt Respekt zu verschaffen!. *173
    Italien brauchte aber nicht allein zu kämpfen, denn Preußen, das die Vorherrschaft im deutschsprachigen Europa anstrebte, kämpfte gegen Österreich und freute sich, Italien bei seinem Griff nach Venedig unterstützen zu können. Die Kriegshetzer bekamen im Mai 1866 einen Schrecken, als Österreich aus Furcht vor einem Zweifrontenkrieg anbot, Venedig preiszugeben, wenn Italien sich dafür im Krieg Österreichs gegen Preußen neutral verhielt. Italien bekam damit die Chance, seine territorialen Ziele zu erreichen, ohne die materiellen Kosten und das menschliche Leid, das ein Krieg mit sich bringt. Dieses Angebot schlug die Regierung aus. Vittorio Emanuele behauptete, die Ehre verbiete es ihm, das Bündnis mit Preußen zu kündigen. In Wahrheit erlag er der Verlockung militärischen Ruhms.
    Der unnötigeKrieg hätte kaum schlimmer ausgehen können. In der Schlacht von Custoza bei Verona wurde im Juni die italienische Armee von einer zahlenmäßig weit unterlegenen österreichischen Streitmacht besiegt und zog sich, statt sich wieder zu sammeln, 30 Kilometer nach Westen zurück. Einige Tage später besiegten die Preußen die weit größere österreichische Armee bei Königgrätz in Böhmen; das war der entscheidende Sieg, der den Krieg beendete. Die Italiener hätten auch jetzt noch aufhören und trotzdem Venedig gewinnen können. Aber sie bestanden auf ihrer »Bluttaufe«. Diesmal floss das Blut sozusagen ins Meer vor der Adria-Insel Lissa, wo die italienische Marine von einer kleineren und weniger gut ausgerüsteten österreichischen Flotte geschlagen wurde. Auch nach dieser zweiten Niederlage ließ sich Vittorio Emanuele nur von seinem Stabschef davon abbringen, den Krieg fortzusetzen. Die Stimmung in der Bevölkerung schlug rasch um. Statt kriegerischem Selbstvertrauen herrschten nun Scham und Verzweiflung. Dass Garibaldi und seine Anhänger sich wie gewohnt besser geschlagen hatten als die regulären Streitkräfte und im Trentino und in Südtirol einige Scharmützel für sich entscheiden konnten, war nur ein schwacher Trost. Ein weiterer Schlag kam kurz danach aus Sizilien, wo ein Aufstand die wahren Gefühle der Inselbewohner zur Annexion offenbarte. Die Erhebung griff auf Palermo über, und

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