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Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilmour
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zur Einnahme Roms von der ländlichen und städtischen Bevölkerung des Kirchenstaats nicht unterstützt wurde. Garibaldi wurde weder von Volksmassen bejubelt noch von den Bauern unterstützt oder von ehrgeizigen Freiwilligen belagert. Selbst in Rom fand er wenige Anhänger, und es muss bitter für ihn gewesen sein zu erfahren, dass man den Franzosen dafür gedankt habe, dass sie Rom vor ihm beschützten. Schon 1870 hatte sich die nationale Begeisterung in Grenzen gehalten, obwohl die italienische Regierung sogar Geld zur Finanzierung einer Erhebung bereitstellte. Wie so oft in den Kriegen des Risorgimento wurde das Ergebnis außerhalb Italiens entschieden. Der Kaiser der Franzosen zog wegen des Kriegs mit Preußen seine Garnison aus Rom ab und spielte nach der Niederlage bei Sedan Anfang September für die Politik Italiens keine Rolle mehr. Im weiteren Verlauf dieses Monats schickte die italienische Regierung Truppen nach Rom, die bei der Porta Pia die Mauern durchbrachen, eine symbolische Verteidigung überwanden und rasch die Stadt einnahmen. Garibaldi war diesmal nicht dabei: Er war nach Frankreich gegangen und kämpfte dort, seinen Idealen treu, für die neue Republik.
    Die Art, wie die Einigung Italiens zustande kam, war für viele Patrioten ernüchternd. Die Einheit wurde weder mit einer »Bluttaufe« noch mit einem spektakulären Sieg erreicht, einmal abgesehen von Garibaldi in Sizilien. Wie schon 1859 und 1866 wuchs das Territorium Italiens auch im Jahr 1870 infolge blutiger Schlachten, die von Mächten jenseits der Alpen geschlagen wurden. Patrioten sagten gern, Italien werde »sich selbst schaffen«, aber Bismarck kam der Wahrheit wohl näher, als er bemerkte, die Nation sei in drei Schlachten entstanden, die alle drei mit S begannen – Solferino, Sadowa (Königgrätz) und Sedan. Es ist schwer vorstellbar, wie Italien ohne diese entscheidenden Kriege hätte geeint werden können, zumal die patriotische Idee so unpopulär war. Weder in Venedig noch in Rom erscholl der Ruf nach »Befreiung«, und auch in der Lombardei war er nur schwach zu hören. Als Garibaldi in Neapel Freiwillige für Italien rekrutierte, meldeten sich in der bevölkerungsreichsten Stadt der Halbinsel gerade einmal 80 Männer.
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    17 Deutschland bestand 1871 aus vier Königreichen, sechs Großherzogtümern, zwölf Herzog- und Fürstentümern und den Freien und Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen.

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LEGENDENUMWOBENES ITALIEN
DIE GENERATION DER GIGANTEN
    Der amerikanische Historiker A. Lawrence Lowell beschrieb 1896 die Gründer des modernen Italien voll Ehrfurcht:

    Vittorio Emanuele ist der exemplarische König einer konstitutionellen Monarchie; Cavour der kühle, weitblickende Staatsmann; Garibaldi
der perfekte Führer in einem irregulären Krieg, kühn, aber unüberlegt und hitzköpfig; Mazzini der klassische Verschwörer, glühend und fanatisch; und
alle zusammen sind voll Edelmut und Hingabe. *178

    Andere Bewunderer im Ausland urteilten noch weit überschwänglicher. Zum 100. Geburtstag Garibaldis im Jahr 1907 schwärmte George Meredith von dem redlichen und reichen Italien, das seine Existenz Männern verdanke,

    die seinem Leib den Lebensodem eingehaucht
    Cavour, Mazzini, Garibaldi, diese Drei:
    Geist, Seele, Schwert, und es befreiten
    von verderblicher Zwietracht, ein hehres Ziel vor Augen … 18

    Vittorio Emanuele ließ er unerwähnt, doch eine englische Dichterin stellte die Sache richtig: »Mein König, König Viktor, ich bin dein!«, stöhnte Elizabeth Barrett Browning und legte diese Worte ausgerechnet Garibaldi in den Mund. 19
    Britische Liberale neigtenbesonders zur Bewunderung. Der Historiker Trevelyan feierte den italienischen Ministerpräsidenten als den »großen Cavour … dieser großartige Mann« und stellte ihn weit über Gladstone, Bismarck und Disraeli, als er ihn den »klügsten und segensreichsten aller europäischen Staatsmänner des 19. Jahrhunderts, wenn nicht aller Zeiten« nannte. Als Erbauer einer Nation stellte man ihn auf eine Stufe mit Wilhelm von Oranien und George Washington. *179 Wie viele, die seine politischen Ansichten teilten, sah Trevelyan Italiens Einigung als Triumph von Fortschritt und Liberalismus, vergleichbar den Verfassungsreformen in England nach der Glorreichen Revolution von 1688.
    Italienische Liberale vertraten und propagierten eine ähnliche Sicht. Wie der Historiker Carlo Tivaroni darlegte, wollten die Liberalen die Vorstellung verankern, die Hauptakteure hätten

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