Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition)

Titel: Auf der Suche nach Italien: Eine Geschichte der Menschen, Städte und Regionen von der Antike bis zur Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gilmour
Vom Netzwerk:
dargestellten Figur und gibt keinen Hinweis auf den geselligen Besucher von Cafés und Spieltischen. Die untere Hälfte des Denkmals besteht aus Bronzereliefs und nackten allegorischen Figuren, die Cavours überragende Verdienste um Italien darstellen sollen. Oben sieht man den Staatsmann in einer Toga, wie er einer üppigen halbnackten Italia auf die Beine hilft, die sich an ihm festhält und ihm einen Lorbeerkranz reicht.
    Cavour mit Italien in Verbindung zu bringen war eine Selbstverständlichkeit, auch wenn er zwar ein großer Piemontese, aber kein großer Italiener war. Erst gegen Ende seines Lebens begann er sich dafür zu interessieren, was jenseits der Grenzen Piemonts auf der Halbinsel geschah.
    Obgleich er als junger Mannviel freie Zeit hatte, konnte er sich nicht einmal zu einem Besuch der Toskana aufraffen. Bei einer Reise nach Venedig 1836 brachte er es fertig, Venedig und Verona als uninteressant zu bezeichnen. Fast zehn Jahre lang war er Ministerpräsident des Königreichs Sardinien (so der offizielle Name des Königreichs Sardinien-Piemont), ohne jemals die Insel dieses Namens zu besuchen, deren verarmte Bewohner seiner Regierung unterstanden und wirtschaftliche und politische Unterstützung dringend brauchten. Er kam nicht einmal bis Siena, obwohl er im letzten Jahr seines Lebens Gesetze für Landstriche Hunderte Kilometer südlich der Toskana erließ. Wenn er sich die Mühe gemacht hätte, das ehemals bourbonische Königreich beider Sizilien zu besuchen, hätte er die großen Unterschiede zu Piemont festgestellt und vielleicht ein geeigneteres Verwaltungssystem entworfen. Er hätte dann womöglich erkannt, dass sein Dogma des freien Handels für eine traditionell protektionistische Wirtschaft nicht taugte. Und wahrscheinlich wäre ihm auch nicht entgangen, dass die Sizilianer längst nicht mehr arabisch sprachen.
    Cavours Ruhm beruht auf mehreren politischen und diplomatischen Erfolgen in den Jahren 1859 und 1860: dem Bündnis mit Frankreich, dem Sieg über Österreich, der Eingliederung Mittelitaliens, der Annexion des Südens und der Errichtung des Königreichs Italien. Er war ein glänzender Diplomat, aber zuweilen war er verantwortungslos oder hatte einfach nur Glück. Bismarck in Preußen fand es unmoralisch, um Deutschlands Einheit und Expansion willen einen europaweiten Krieg anzuzetteln. Cavour aber sprach oft vom großen Flächenbrand oder davon, Europa in Brand zu stecken, den Balkan wachzurütteln, Russland mit hineinzuziehen und in Deutschland und der Schweiz einen nicht gerade wahrscheinlichen Bürgerkrieg zu schüren. Das war nicht bloß Rhetorik. 1859 schickte er den Aufständischen in Ungarn für ihren Kampf gegen die Habsburger mehrere tausend Gewehre. Ein Jahr danach sandte er den rumänischen Revolutionären gegen das Osmanische Reich fünf Schiffsladungen mit Schusswaffen. Als man die Kisten entdeckte, deren Inhalt als Kaffee deklariert war, kam es zu einem diplomatischen Eklat. Cavour versuchte sich auf seine Art aus der Patsche zu lügen, konnte damit aber Königin Victoria nicht täuschen, die sich über »diese wirklich schlimme, skrupellose sardinische Regierung« entsetzt zeigte. *184 Noch im Jahr seines Todes plante Cavour einen großen europäischen Krieg, an dessen Ende die Erweiterung der Grenzen Italiens stehen sollte.
    Wie Königin Victoria bezeichneten ausländische Politiker und Diplomaten ebenso wie politische Gegner im eigenen Land Cavour gern als »skrupellos«. Dennoch erkannten nur wenige das wahre Ausmaß seiner Widersprüchlichkeit und Doppelzüngigkeit. 1855 schickte Cavour Truppen auf die Krim, um Russland vom Mittelmeer fernzuhalten. Aber zwei Jahre später gestattete er den Russen, bei Nizza auf piemontesischem Boden einen Marinestützpunkt zu errichten. Mitte der 1850er Jahre plante er, Napoleons Vetter Lucien Murat in Neapel auf den Thron zu setzen, regte aber gleichzeitig ein Bündnis zwischen Piemont und den Bourbonen an. Noch verwirrender war seine Taktik im Februar 1860, als er Preußen vorschlug, gemeinsam Österreich anzugreifen, und Napoleon signalisierte, zusammen gegen Preußen zu marschieren.
    Erstaunlich ist, dass man ihn in Europa hinnahm. Eine Erklärung lautet, dass die französische und die britische Regierung aus emotionalen wie politischen Gründen die Einigung Italiens unterstützte. Viele jedoch misstrauten Cavour persönlich. Unzweifelhaft gelangen ihm große Erfolge, aber sein Verhalten brachte einen Ton in die Außenpolitik seines

Weitere Kostenlose Bücher