Auf der Suche nach Tony McKay
Pelikan-Füller aus der Schule,’ sagt er zu ihr.
‘Das ist aber kein ausreichender Grund, da mitzumachen,’ antwortet sie, ‘ich mein, Füllersammler? Ernsthaft? Das sind doch bestimmt alles so Typen im Anorak, die sonst nichts in ihrem Leben haben.’
Heiko guckt an sich runter.
‘Ich habe einen alten Mont Blanc von meinem Opa,’ sage ich, um Heiko ein bisschen zu unterstützen, ‘der ist noch total gut in Schuss und schreibt super.’
‘Das sagt Julius Kripke auch immer,’ sagt Bill, ‘die alte Sachen funktionieren oft besser als neue und gehen auch nicht so schnell kaputt. Und wenn du einen guten Füller hast, brauchst du nicht hundert Kugelschreiber.’
Wir kommen an einem Motel vorbei, das deutlich älter als die anderen zu sein scheint und auch keiner Kette zugehörig. Ein Schild draußen verkündet, dass das “Paradise Inn” freie Zimmer zu günstigen Raten hat.
‘So,’ sagt Britta, deren schöner roter Koffer mittlerweile schmutzig grau ist, ‘ich geh’ nicht weiter, wir bleiben hier.’
Ich betrachte das Haus, das etwas zurückgesetzt von der Straße steht, und muss an Hitchcock denken. Aber Britta ist schon auf dem Weg zur Tür. Ich gucke Heiko an, als ich neben ihm den gepflasterten Weg hochlaufe.
‘Hast du mal “Psycho” gesehen?’ frage ich ihn.
‘Ja, hat doch jeder, oder?’ antwortet er, ‘Wieso?’
Ich deute mit dem Kopf zum Motel hin. Er zuckt mit den Schultern und schüttelt den Kopf.
‘Du siehst Gespenster, Maggie,’ sagt er als wir in die Lobby treten.
An der Rezeption steht ein Chinese und lächelt uns verschmitzt an. Was für eine Erleichterung! Ich schwöre, wenn der Besitzer groß, hager und dunkelhaarig gewesen wäre, ich hätte auf dem Absatz kehrt gemacht.
Wir buchen zwei Doppelzimmer und verstauen unser Gepäck. Heiko und Bill legen sich erstmal auf’s Ohr, während Britta und ich beschließen, die Innenstadt zu erkunden und in den Gateway Arch hinaufzufahren.
‘Jetzt sind wir schon bald eine Woche in den USA, und zum ersten Mal fühle ich mich wie ein Tourist,’ sage ich zu Britta, als wir im Park unter dem Gateway Arch sitzen.
‘Stimmt, in New York hatten wir zuviel mit dem Konsulat und Herrn Bronstein und dann dem Widerling bei der Bank zu tun,’ sagt Britta.
‘Wie es Rosa jetzt wohl geht,’ überlege ich.
Wir sagen eine Weile gar nichts und gucken über den gewaltigen Mississippi River. So schwierig Rosa mit ihrer direkten Art, die nur selten Kompromisse zuließ, auch sein konnte, sie fehlt uns doch. Nicht nur als Freundin, sondern auch ihre Perspektive, ihre Interpretation dessen, was um sie herum passierte. Auch wenn das oft hanebüchene Verschwörungstheorien beinhaltete. Die Unterhaltungen mit ihr waren nie langweilig.
‘Sollen wir rauffahren?’ fragt Britta.
‘Lass uns man,’ sage ich.
Den Weg in den Scheitelpunkt des etwas mehr als 190 Meter hohen Bogen legen wir in einer kleinen Kapsel zurück. Nichts für Leute mit Klaustrophobie.
‘Ich glaube nicht, dass Mark Twain die Stadt wieder erkennen würde, wenn der heute hier vorbei käme,’ sage ich als wir ganz oben angekommen sind und rausgucken.
‘Nee, eher nicht,’ sagt Britta.
Abgesehen von dem Torbogen sieht die Stadt wahrscheinlich nicht wesentlich anders aus, als die meisten anderen Großstädte in den USA. Die amerikanische Bevölkerung beträgt heutzutage gut 315 Millionen, wahrscheinlich zehnmal so viel wie zu Twains Zeit. Wenn ich die sich ausbreitende Stadt von hier oben so betrachte, dann frage ich mich, wie das weitergehen soll. Werden die Städte hier einfach immer weiter wachsen, bis die ganze US-amerikanische Landmasse in der Zukunft von einer einzigen Stadt bedeckt ist, in der sich die immer gleiche Reihe von Fast-Food-Ketten, CoffeeAllstars-Filialen, Motels, Klamottenläden in schöner Regelmäßigkeit wiederholt, so dass des Menschen liebste Freizeitbeschäftigungen, Essen und Einkaufen, ohne Unterlass befriedigt werden können? Wo es keinen Raum mehr für irgendetwas anderes gibt, wir nur noch konsumieren können, ja konsumieren müssen, denn darauf basiert dieses Gesellschaftsmodell? Rosa hätte diesen Gedanken verstanden.
Wieder unten, gehen wir in die Innenstadt auf der Suche nach einem billigen Restaurant. Wir finden schließlich eines und Britta textet Heiko unseren Standort, so dass er und Bill wissen, wo wir sind und wir uns hier treffen können.
‘Bereust du, dass wir die Reise gemacht haben?’ frage ich Britta, als wir über einem
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