Auf der Suche nach Tony McKay
Kaffee sitzen.
‘Ja und nein. Wenn ich nicht gefahren wäre, hätte ich nie Staszek getroffen. Aber der ganze Mist hier jetzt, den hätte ich mir gut sparen können. Rosa ist weg, das Geld ist größtenteils weg, und wir sitzen mit so einem Irren im Winnebago und zuckeln durch Amerika auf der Suche nach einem anderen Irren, um eine Antwort worauf eigentlich zu bekommen?’
Ich denke nach.
‘Manchmal ist die Reise selber ja auch das Ziel. Meistens ist das eigentlich so, oder? Vielleicht können wir bei all dem irgend etwas lernen, irgend etwas mitnehmen, das uns weiterbringt.’
Wirklich überzeugt davon bin ich selber jedoch auch nicht.
Die Eingangstür geht auf und Heiko und Bill treten ein.
‘Na,’ sagt Heiko, ‘wie war das da oben?’
‘Schöner Blick,’ sagt Britta.
Am Nebentisch sitzt eine Familie, Mutter, Vater und zwei Kinder. Die Kinder sind etwas zappelig, doch der Mann hat eine rührende Art sie zu unterhalten. Bill beobachtet sie eine Weile, es ist offensichtlich, dass er mit seinen Gedanken woanders ist, und dann wendet er sich uns wieder zu und lächelt traurig.
‘Ihr habt gefragt, wie kommt das, dass ich protestiere,’ und guckt wieder zu der Familie am Nebentisch, bevor er fortfährt, ‘Ich hatte ein Sohn und der hatte auch so eine Familie. Der war ein guter Vater.’
Und dann erzählt Bill uns die Geschichte von seinem Sohn, der zu Beginn der Finanzkrise seinen Job verloren hat. Da er keinen neuen Job finden konnte, geriet er mit den Zahlungen für den Bausparkredit in Verzug. Innerhalb kurzer Zeit nahm ihm die Bank, die noch vor wenigen Jahren ihm eben diesen Bausparkredit aufgeschwatzt hatte, sein Haus weg und setzte Bills Sohn und seine Familie auf die Straße. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als bei Bill einzuziehen, aber der hatte nur ein kleines Haus, das wurde alles etwas beengt. Schließlich ist die Frau mit den Kindern ausgezogen, zuerst zurück zu ihren Eltern, später dann hat sie einen neuen Mann gefunden. Bills Sohn hat dann einfach aufgegeben, ist nicht mehr aus dem Haus gegangen. Und eines Morgens fand Bill seinen Sohn erhängt in der Garage vor.
Bei so einer Geschichte, da würde ich wahrscheinlich auch an der Wall Street Verkehrshütchen verteilen und die Banker hinter Schloss und Riegel bringen wollen.
Bill macht eine Pause in seiner Geschichte und winkt der Kellnerin, damit die uns noch mal Kaffee nachschenkt, bevor er fortfährt,
‘Unsere Regierung, die hat viele, viele Milliarden den Banken gegeben, weil die fast bankrott waren. Aber die Regierung hat den Banken das Geld auch gegeben, um kleine Leute zu helfen, Leute so wie mein Sohn. Aber haben die Banken diese kleine Leute geholfen? Gar nicht. Haben Geld für sich behalten, haben die schlechten Banker, die all die Fehler gemacht haben große Bonusse gezahlt. Und wovon? Von meine Steuergelder. Die Banker haben mein Geld gekriegt, und mein Sohn hat gar nichts bekommen und hat alles verloren, sein Job, sein Haus, sein Familie und nachher auch sein Leben. Und ich hab mein Sohn verloren.’
Bill schweigt. Britta legt ihm die Hand auf die Schulter. Er guckt sie traurig an.
‘Und dann hab ich mein Haus verkauft und von ein Freund diese alte Winnebago gekauft. Und bin erst mal durch das Land gefahren, überall hin, und zum ersten Mal hab’ ich gesehen, wie das wirklich ist bei uns. Nicht die gleiche Chancen für alle. Viele arme Leute werden ärmer, wenige reiche Leute werden immer noch reicher.’
Bills Geschichte erklärt nun in der Tat einiges. Sie erklärt allerdings nicht, warum nicht mehr Leute so wie er protestieren und sich gegen den Wahnsinn wehren, sondern nach wie vor den Herrschenden die Botschaft vom amerikanischen Traum abkaufen. Warum sie glauben, dass es schon ganz in Ordnung ist, den kriminellen Bankern weiter Bonusse zu zahlen, denn sonst, Gott bewahre, würden die sich ja woanders einen Job suchen. Aber wie viele gut qualifizierte Leute gibt es eigentlich da draußen in der Welt, die keinen Job finden können, während die Politiker in Cahoots mit den Wirtschafts- und Bankbossen ganze Länder in den Ruin treiben, sich selber riesige Gehälter zahlen und die Politiker, die ihnen bei der Plünderung des eigenen Volkes zur Hand stehen, dann nachher Vorstandsposten in ebendiesen Banken besorgen. Die Vikinger hatten mehr Mitleid mit den Objekten ihrer Habgier.
Sonnabendvormittag und wir sind zurück in der Reparaturwerkstatt. Zur Abwechslung haben wir auch mal Glück. Der
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