Auf der Suche nach Tony McKay
sich mit Staszek. Ich setze mich auf.
‘Wo sind wir?’ frage ich.
‘Illinois, ’ sagt Britta und lächelt in ihr Handy.
Ich gehe nach vorne. Bill sitzt am Steuer und Heiko schläft auf dem Beifahrersitz.
‘Morgen,’ sage ich.
‘Morgen,’ grüsst Bill freundlich und erstaunlich wach - braucht dieser Mensch keinen Schlaf? Heiko beginnt nun auch sich zu regen.
‘Wir sind nicht mehr weit von St.Louis entfernt, vielleicht wir können da anhalten und ein bisschen frühstücken,‘ sagt Bill zu uns.
‘Gute Idee,’ sage ich, ‘ich könnte einen Kaffee vertragen.’
Auf der Interstate 70 ist nicht viel los. Billboards am Straßenrand werben für eine Waffen-Messe Anfang März, den Auftritt eines hier in der Gegend wohl berühmten Fernsehpredigers eine Woche später und schließlich für einen Füller-Sammler-Kongress dieses Wochenende.
‘Füller-Sammler?’ sage ich zu Bill, ‘also bei euch gibt es auch alles.’
‘Alle Leute mögen Dinge sammeln,’ antwortet er, ‘hier in Amerika gibt es Sammler-Klubs für alles Mögliche: Füller, Briefmarken, antike Puppen, falsche Zähne, alles. Da gibt das ein Mann hier, der sammelt seit viele Jahre die Fusseln aus sein Bauchnabel,’ sagt Bill und lacht sich eins. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das glauben soll. Wahrscheinlich hat er sich das in diesem Moment gerade ausgedacht.
‘Na ja, einiges davon kann ich ja noch verstehen. Füller zum Beispiel haben einen praktischen Wert. Man kann die gebrauchen, im Gegensatz zu den meisten Briefmarken, die gesammelt werden oder antiken Puppen. Aber mal ehrlich, mehr als einen Füller braucht man doch eigentlich auch nicht,’ sage ich.
‘Das ist vielleicht so in der Natur des Menschen, Sachen zu horten. Ich schätze wir alle haben ein bisschen Hamster-DNA in uns,’ sagt Heiko.
Ich denke nach. ‘Vielleicht hat das aber auch mit Wiederholung zu tun. Wiederholung hat immer etwas Beruhigendes und Tröstliches an sich. Und wenn wir eine gute Erfahrung gemacht haben, oder aber Freude hatten, als wir uns einen Füller gekauft haben, dann wollen wir das Erlebnis wiederholen. Das führt dann dazu, dass Leute immer wieder das Gleiche kaufen, fünfmal den gleichen Pullover oder zwanzig ähnliche Handtaschen. Die wollen das erste Kauferlebnis wiederholen, nur dass das so natürlich nicht funktioniert und jeder neue Erwerb kann notwendig nur ein billiger Abklatsch der ursprünglichen Freude werden. Man rennt immer diesem ersten Glücksgefühl hinterher, ohne es wirklich jemals wiederholen zu können. Einmal mehr ein Simulacrum. Irgendwie basiert unsere ganze Kultur auf der billigen, sinnentleerten Wiederholung alles Ursprünglichen und Originalen.’ Piotrek hätte jetzt dazu freundlich genickt und Wodka nachgeschenkt.
‘Du bist Philosoph?’ fragt mich Bill mit einem Grinsen auf dem Gesicht.
‘Nee, ich guck’ mich nur manchmal um, was so um mich herum passiert und mach’ mir meine Gedanken dazu.’
‘Hier in Amerika bist du definitiv ein Philosoph,’ antwortet er mir.
Am Horizont taucht eine große, bogenförmige Struktur auf.
‘Was ist das denn?’ fragt Heiko.
‘Das ist der Gateway Arch. Das haben die hier aufgestellt für Thomas Jefferson, das war einer der Gründer von den USA, und um zu erinnern an die Expansion nach Westen, wo St.Louis eine große Rolle gespielt hat.’
Das Teil sieht ziemlich monumental aus, ein riesiger Bogen aus Metall, der die Skyline der Stadt beherrscht. Der Bogen soll also die Erschließung des Westens und damit die letztendliche und komplette Beherrschung dieses vormals unerschlossenen und weitestgehend unberührten Landes feiern. Ob es da wirklich so viel zu feiern gibt, darüber gehen die Meinungen wahrscheinlich auseinander.
Auf dem Weg in die Stadt müssen wir den gewaltigen Mississippi River überqueren, den größten Fluss der nordamerikanischen Landmasse. Ich denke an Huckleberry Finn, der mit dem entlaufenen Sklaven Jim so manches Abenteuer auf dem Fluss bestanden hat. Und wie idyllisch das in dem Buch alles wirkte. Mit der heutigen Realität hat das wenig zu tun.
Unweit des Zentrums kommen wir an einer Zeile von Cafes und Restaurants vorbei und Bill stoppt den Winnebago. Wir steigen aus und strecken uns, dann setzen wir uns in ein Diner, original aus den Sechzigern - rote Bänke, laminierte Speisekarten und eine grell geschminkte Kellnerin in ihren Siebzigern in einer knappen Kellnerinnen-Uniform. Sie nennt uns alle “Honey” und wir bestellen Kaffee und
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