Auf der Suche nach Tony McKay
angestellte Bedienungen selten gewerkschaftlich organisiert sind und es in H. auch nicht wirklich alternative Formen der Beschäftigung für Leute gibt, die ihr Politologie-Studium abgebrochen haben, hat Rosa Harry die Karten zähneknirschend abgenommen.
‘Wow,’ sagt Heiko, ‘können wir da alle mitkommen?’
‘Was wird denn deine Freundin dazu sagen, wenn du zu einer Männer-Strip-Show gehst?’ will Rosa von ihm wissen und nimmt einen Schluck Kaffee. Heiko guckt schräg nach unten auf seine Schuhe, dann nach oben an die Decke, wobei es ihm jedes Mal gelingt, Rosas Blick auszuweichen.
‘Die hatten da in Hong-Kong ein Problem mit einem der Container-Schiffe, und Penny musste also dahin, um zu sehen, was man machen kann.’
‘Ich denk’ die arbeitet für eine Speditionsfirma?’
‘Na ja, die machen halt von allem etwas, Spedition, Reederei...’
Rosa sieht nicht überzeugt aus. ‘Und was genau soll sie da in Hong-Kong machen? Hat sie einen Satz Schraubenschlüssel eingepackt und macht sich jetzt gerade an der Schiffsschraube zu schaffen?’
Das wird allmählich zu grausam. Letztendlich ist es egal, ob Heiko wirklich eine Penny hat oder nicht – wir sind hier, um die Details für den Geburtstagsausflug nach Hamburg zu besprechen. Ich werfe Rosa einen Blick zu, in der Hoffnung, dass sie endlich den Mund hält.
‘Ich dachte nur es könnte Spaß machen, wenn wir alle zusammen nach Hamburg fahren...’ sagt Heiko etwas hilflos.
‘Ich bin nur nicht sicher, ob Männer dort `rein gelassen werden,’ gebe ich nun zu bedenken.
‘Echt?’ Rosa hatte das offenbar nicht bedacht, und auch Heiko sieht enttäuscht aus.
‘Also, entweder fahren wir dann nur zu dritt, oder aus Heiko hier machen wir eine Heike.’
Rosa und ich betrachten Heiko, um die Möglichkeit eines temporären Geschlechtstransfers auszuloten. Heiko wird rot.
‘Ich weiß nicht, was wenn einer das merkt? Rufen die dann die Polizei?’ will er wissen.
‘Keine Ahnung, ich verkehr ja üblicherweise nicht in derartigen Etablissements. Ich schätze, die setzen dich dann einfach nur vor die Tür.’
Heiko guckt etwas zweifelnd.
‘Britta hat einen Schrank voller Kleider, da wird schon eines für dich dabei sein,’ werfe ich ein.
Ich habe schon vor sehr langer Zeit festgestellt, dass in dem Maße, wie ein Plan, der noch so hirnrissig ist, in die praktische Planung übergeht und trotz etwaiger Defizienzen konsequent weitergedacht wird, dieser Plan meist auch umgesetzt wird. Normalerweise mit katastrophalen Konsequenzen, wenn man das Ganze einmal wertend betrachtet, aber wenn die Wertung (moralisch, intellektuell, wie auch immer), außen vor bleibt, so ist die letztendliche Umsetzung eines noch so dämlichen Planes bei konsequenter und beharrlicher Planung meist unausweichlich.
Rosa nimmt Heikos Kinn in die Hand und dreht seinen Kopf einmal nach links, dann nach rechts.
‘Bei deinen wässrig-blauen Augen - blauer Lidschatten, bisschen Mascara und jede Menge Face-Base und Concealer. Was denkst du, Maggie?“
Rosas Kenntnisse im Bereich Kosmetik überraschen mich, denn in ihrer persönlichen Erscheinung vermeidet sie derartiges. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass selbst Harry sich schon über ihre Weigerung, während der Arbeit Make-up anzulegen, bei ihr beschwert hat, doch Rosa ist sich ihres Arbeitsplatzes sicher, denn Harrys Phlegma verhindert, dass er genug Energie aufbringen könnte, um beim Arbeitsamt eine Stellenanzeige für eine neue Kellnerin aufzugeben. Außerdem haben Harry und Rosa sich im Laufe der Jahre eine Koexistenz erarbeitet, die der eines Ehepaares jenseits der silbernen Hochzeit ähnelt: sie nörgeln ständig aneinander und tolerieren sich oft nur mit Mühe, sind aber, ein jede/r für sich genommen, zu bequem sich nach einer romantischen Verbesserung umzusehen.
‘Ich denke, das könnte gehen,’ antworte ich, ‘aber was machen wir mit seinem Adamsapfel?’
‘Ich hab’ einen Rollkragenpullover,’ versucht Heiko zu helfen.
‘Was, unter dem Kleid?’
‘Ach ja,’ entgegnet er zerknirscht.
‘Wie wäre es mit einer Art von Seidenschal?’ meine ich.
‘Ein Seidenschal? Er ist doch nicht Anfang fünfzig, nee das würde nicht überzeugen,’ meint Rosa, neuerdings Fachfrau für die prä-operative Transformation von Mann zu Frau.
‘Er könnte ein Kopftuch aufsetzten und sich als Muslimin ausgeben...’
‘Du mit deinen braunen Augen würdest mit Kopftuch vielleicht als Muslimin durchgehen, aber Heiko mit
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