Auf der Suche nach Tony McKay
selbst gebrannten Fusel. Keine Ahnung, wo der herkommt und ob es dabei alles legal zugeht. Wenn Harry mich das nächste Mal abends abschließen lässt, dann lasse ich mir den Schlüssel nachmachen, komme am Mittwoch, sobald er nach Hamburg abgezogen ist, hier vorbei und hole einige Kisten ab. Harry verkauft seinen Kram manchmal an so eine Spelunke in Westerdeichstrich. Ich bin auch schon mit ihm dort gewesen, um beim Tragen zu helfen und kenne den Besitzer ein bisschen. Wenn ich mit dem Wodka da auftauche und sage, dass Harry mich schickt, dann wird der das total glauben und das Zeugs abkaufen. Und bis Harry merkt, dass da Kisten fehlen, kann das dauern.’
Heiko guckt erschrocken, ‘Du willst Harry beklauen?’
‘Klar, warum nicht? Das Zeug ist mit Sicherheit illegal, außerdem schuldet er mir noch diverse Wochenlöhne, demnach ist es nur fair, wenn ich die Initiative ergreife und mir das Geld auf diese Weise selber auszahle.’
Ich denke darüber nach, wie ich schnell ein paar Euros machen könnte, doch alle Ideen, die mir kommen, sind entweder illegal, unmoralisch oder unappetitlich - in den meisten Fällen sogar eine Kombination dieser Adjektive.
‘Kannst du uns nicht helfen, die Volksbank auszurauben?’ fragt Britta Heiko im Scherz.
Rosa grinst, ‘Das wär doch mal ‘ne Idee.’
Heiko guckt zum Fenster raus, hinter dem es außer dem dichten Nebel nichts zu sehen gibt. Er wirkt leicht geistesabwesend.
‘Was hast du gesagt?’ fragt er Britta.
‘Da Rosa Wodka klauen und nach Westerdeichstrich verschachern will, habe ich gefragt, ob du nicht die Volksbank berauben könntest, um deinen Teil für unsere Urlaubskasse beizutragen .’
Heiko guckt Britta direkt in die Augen und sagt eine Weile gar nichts. Dann beißt er sich auf die Unterlippe und wendet den Blick wieder zum Nebel jenseits des Fensters.
‘Weißt du, Tatsache ist, dass ich das wirklich könnte. Alle Filialleiter haben Zugang zu dem Hauptsafe in der Zentrale. Der Zugang ist passwort-kontrolliert. In den Computer von meinem Chef zu hacken ist keine große Sache, und dann könnte ich das Passwort besorgen.’
Sagt er, einfach so. Zehn Jahre war er der Volksbank loyal, hat alles geschluckt, was ihm dort zugemutet wurde, und nun das.
‘Nee, im Ernst jetzt?’ Rosas Augenbrauen sind kurz davor ihren Haaransatz zu berühren.
‘Weiß nicht, habe einfach nur laut gedacht,’ sagt Heiko.
Auf der Post
Rosa und ich stehen in einer Schlange auf der Post. Eigentlich sind wir auf dem Weg nach Westerdeichstrich, um Harrys illegalen Wodka zu verkaufen, doch als Rosa mich abholte, kam meine Nachbarin zur Tür gehumpelt und bat mich auf der Post ein Paket für sie abzuholen. Meine Nachbarin ist gehbehindert, wie ich im vierten Stock ansässig, und verlässt infolge ihrer Behinderung so gut wie nie das Haus, umso erstaunlicher ist es, dass die Abholkarte der Post behauptet, sie sei nicht anzutreffen gewesen.
‘Die sind vermutlich zu faul in den vierten Stock hoch zulaufen,’ glaubt Rosa.
Wir sind Nummer acht in der Reihe (möglicherweise auch Nummer sieben, zwei ältere Herrschaften haben sich gerade daran erinnert, dass sie ja zusammen gekommen sind, und nehmen jetzt nur mehr einen Platz in der Schlange ein).
Da es letzte Nacht gefroren hat, haben sich alle entsprechend warm angezogen. Der Schalterbeamte hingegen sitzt in kurzen Hemdsärmeln bei voll aufgedrehter Heizung da. Jetzt schwitzt die Menschenmenge, die hier in ihren Wintermänteln und Daunenjacken mit Schals angetan steht. Mir bilden sich Schweißtropfen auf der Stirn und Rosa nimmt ihre Ohrmuffs ab.
Es ist Mittwoch, 16:50, die Post soll um 17:00 Uhr schließen. Ein einziger Schalter ist besetzt und besagter kurz beärmelter Beamter dahinter wirkt mürrisch. Er guckt auf seine Uhr, dann ruft er ‘Einer noch, dann ist hier Feierabend!’ und wendet sich wieder dem Verkauf von Briefmarken zu.
‘Wie bitte? Das kann doch nicht angehen, ich stehe schon seit einer halben Stunde hier und warte!’ antwortet aufgeregt eine Dame, dem Aussehen nach Studienrätin im Endstadium.
‘Machen Sie doch einfach noch `nen Schalter auf, dann geht es schneller,’ schlägt eine Frau mit zwei kleinen Kindern vor.
‘Würde ich ja auch, aber ich bin hier allein, seitdem die anderen beiden Stellen gestrichen wurden und die Kollegen nun arbeitslos sind.’
‘Wie jetzt, arbeitslos? Ich denke das sind hier alles Beamte?’ fragt der Rentner mit/ohne Dame.
‘Waren wir auch, bis die
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