Auf der Suche nach Tony McKay
seinen hellblauen Augen – nie und nimmer.’
‘Ich hab’ eine Idee: ich setze mir auch ein Kopftuch auf, und geb’ Heiko dann als meine deutsche Schwägerin aus, die meinen Bruder Erkan geheiratet hat! Das wäre doch eine überzeugende Geschichte, oder?’
Rosa ist sichtlich angetan von diesem Plan. Ich gucke Heiko an. Der guckt aus dem Fenster, wiegt den Kopf hin und her und macht “hmmmm”. Mein Gott, denke ich, der springt tatsächlich darauf an!
Urlaubspläne
Es ist Freitag, 18:00 Uhr, Heiko und ich sitzen in Harry’s Bar. Rosa steht am Tresen und poliert Biergläser. Dieser Anblick ist etwas befremdlich, denn üblicherweise ist man froh, wenn kein Lippenstift am Glasrand prangt – polierte Gläser passen so gut zu Harry’s Bar wie Orchideen hinter Netzgardinen.
Rosa setzt sich mit einer Flasche Rotwein in der Hand und drei Gläsern auf einem Tablett zu uns. Harry beobachtet sie stirnrunzelnd, über eine Ausgabe der Renn-Post hinweg.
‘Keine Sorge, die geht auf meine Rechnung,’ ruft sie ihm zu, und etwas leiser ‘Geizhals, elender.’
Es ist nicht klar, ob Harry den letzten Teil des Satzes gehört hat, sein Kopf ist wieder hinter seiner Rennzeitung verschwunden.
‘Wann kommt Britta?’ will Rosa wissen.
‘Ich habe ihr gesagt, dass wir uns um sechs treffen, aber du kennst sie ja,’ sage ich. Zur Antwort rollt Rosa mit den Augen.
‘Also der Plan ist, dass wir ihr heute Abend die Karten geben und dann den Tag entsprechend planen: wer fährt, wann Abfahrt sein soll etc. pp...’ sagt Heiko.
Die Tür öffnet sich und Britta walzt herein.
‘N’abend allerseits.’ Sie lässt sich schwer auf einen der Stühle fallen und fixiert dann die Weinflasche.
‘Rosa, ich brauche erst mal was Härteres – kannst du mir einen Wodka bringen?’
Rosas Blick spricht Bände. Wortlos steht sie auf und geht zum Tresen.
‘Ich hatte gerade den Streit des Jahres mit meinem Editor. Der verlangt doch tatsächlich von mir, dass ich in den Übersetzungen keine Wörter benutze, die mehr als vier Silben haben! Kann sich das einer vorstellen? Ich meine, wie weit kann man das Niveau noch `runterschrauben?’
Rosa bringt den Wodka und Britta leert ihn in einem Zug. ‘Besser,’ sagt sie und stellt das Glas grimmig auf den Tisch.
‘Also “Schraubenzieher” ist ok, aber “Gardinenstange” nicht?’ will Heiko wissen.
‘Ja, nur ist es unwahrscheinlich, dass in dem Müll, den ich da übersetze diese Art von Wörtern fällt. Wenn’s ein Arztroman ist bewegt sich das Ganze thematisch mehr aus dem Wartezimmer in Richtung Schlafzimmer, wenn’s ein Abenteuer-Liebesroman ist dann aus dem Flughafen, oder sonst welchem exotischen Schauplatz, in Richtung Schlafzimmer und wenn’s historisch ist dann aus, sagen wir mal, der Schlossküche ins, ihr ratet es nie, Schlafzimmer!’ Sie gießt sich ein Glas Wein ein.
‘Ich kann sehen, wie du da mit einem relativ beschränkten Vokabular auskommen kannst,’ meine ich.
‘Beschränkt, das ist genau das Wort. Als ich die letzte Übersetzung abgeliefert habe, meckerte der Mensch, dass ich zu viele Fremdwörter benutze. In meiner Übersetzung hatte der Hauptcharakter “Allüren”, doch musste ich das streichen. Das Wort der Wahl war dann “eingebildet” – vier Silben, also gerade noch lesbar, ein gutes deutsches Wort. Wehe, wenn jemand Gefahr liefe, beim Lesen dieses Schrotts ein neues Wort dazuzulernen, das muss mit aller Kraft verhindert werden.’
‘Zumindest hast du ein einigermaßen gutes Auskommen und wirst vernünftig bezahlt für das, was du tust,’ meint Rosa düster.
‘Ich wollte dem wäre so, ich halte mich mit Mühe über Wasser. Und jetzt, wo der-dessen-Namen-ich-nicht-mehr-aussprechen-werde abgehauen ist und meinen ganzen Kram mitgenommen hat, sieht’s finster aus. Ich brauche demnächst einen Satz neue Reifen für mein Auto, denn die, die zur Zeit drauf sind, sind ungefähr so glatt wie Boris Beckers Stirn.’ Sie macht eine kleine Pause und denkt nach.
‘Das große Ding zur Zeit sind Sex-Romane, dafür könnte ich gut das doppelte kriegen. Eine Sex-Übersetzung dürfte mir einen neuen Satz Reifen einbringen.’
‘Tja, wo wir gerade beim Thema sind,’ sagt Rosa und guckt mich an. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Wir haben Britta noch nichts von ihrem Geburtstagsgeschenk erzählt und sind gespannt wie sie darauf reagieren wird – entweder wird sie es lieben, und vor Rührung in Tränen ausbrechen, oder sie wird es hassen und
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