Auf der Suche nach Tony McKay
in Tränen ausbrechen. Sie ist zur Zeit emotional etwas labil.
‘Angesichts deines speziellen Tages nächstes Wochenende, haben wir uns folgendes überlegt,’ beginne ich.
‘Wir haben vier Eintrittskarten zu einer Strip-Show auf St.Pauli,’ platzt es da aus Heiko heraus. Rosa und ich gucken ihn fragend an, eigentlich hatten wir geplant langsam auf diese Eröffnung hinzuarbeiten und Britta raten zu lassen. Heikos Augen blitzen und er hat ein dümmliches Grinsen auf dem Gesicht, ganz offenbar hat er die Spannung nicht mehr ausgehalten. Es ist nicht klar, was ihn an dem Ganzen mehr aufregt: die Aussicht H. für einen Abend zu verlassen und nach Hamburg zu fahren, oder aber als Frau verkleidet halbnackte Männerkörper anzustarren...
Britta guckt erst Heiko mit offenem Mund an, dann mich und dann Rosa. Ihre Augen werden immer größer, und da, da rollt auch schon die erste Träne. Daumendrücken, dass es vor Freude ist.
‘Das ist so nett von euch, das wollte ich schon immer mal sehen,’ schnieft sie, ‘ehrlich, das ist die beste Idee seit langem,’ und sie umarmt uns alle der Reihe nach.
‘Harry, bring’ doch mal vier Grappas,’ ruft Britta in Richtung Tresen. Harry guckt hinter seiner Renn-Post hoch und wirft Rosa einen mürrischen Blick zu, welcher geflissentlich ignoriert wird. Kurz darauf landen vier Grappas in leicht schmierigen Schnapsgläsern auf unserem Tisch.
‘Auf unseren Trip nach St.Pauli und auf ein paar knackige Hintern,’ sagt Britta leicht beschwipst, macht große Augen und guckt in die Runde. Wir anderen heben die Gläser.
‘Auf St.Pauli!’
‘Moment mal, was ist mit Heiko?’
Ich erkläre ihr kurz den Plan.
‘Das wird der beste Geburtstag überhaupt!’ ruft sie begeistert, ‘wird auch echt mal Zeit, dass wir hier rauskommen. Hier in H. lernt man sowieso niemanden Vernünftiges kennen.’
‘Hört, hört!’ sagt Rosa, hebt ihr Glas und stößt mit Heiko, Britta und mir auf die Trostlosigkeit unseres Liebeslebens an.
‘Warum hebst du dein Glas?’ bemerkt Rosa nun grinsend zu Heiko gewandt, ‘du hast doch jemanden.’
Heiko zieht es vor, nichts zu erwidern.
‘Ich weiß nicht, ich denke ich sollte mein Auto verkaufen und eine Reise in die USA machen. Neuer Anfang und all das. Wahrscheinlich würde ich da auch einen besseren Job finden als hier. Und einen besseren Freund-Schrägstrich-Lebensabschnittspartner,’ sagt Britta.
‘Du, da komm ich mit, ich wollte schon immer mal nach New York,’ wirft Heiko ein.
‘Du und ich im Amiland, Heiko – das wär doch was! Wie sieht’s mit euch beiden aus, kommt ihr auch mit?“
Rosa und ich gucken uns an – viel schlechter als in H. kann es uns da auch nicht gehen.
‘Count me in,’ sagt Rosa, ‘ich kann heute noch anfangen zu packen. Ein Vorteil meiner Beschäftigung hier, ohne Vertrag, tariflich zugesicherte Pinkelpausen und Rentenbeiträge, ist, dass ich keinerlei Kündigungsfrist habe – wenn ich morgen nicht mehr komme, dann muss Harry eben mal selber Biergläser spülen.’
Die anderen drei gucken mich an – was hab’ ich denn zu verlieren? Das gelangweilte Herumgezappel der Viertklässler vielleicht, die viel lieber draußen Fußball spielen würden, als von ihren überehrgeizigen Müttern zur Nachhilfe gezerrt zu werden? Oder meinen mageren Lohn, der in erster Linie dazu dient, Dr.Härtel alle zwei Jahre einen neuen Mercedes auf die Auffahrt zu stellen?
‘Ich bin dabei. Und dann besuchen wir Tony McKay,’ sage ich.
Die Stille, die auf seinen Namen folgt ist bedeutungsschwer. Für einen Augenblick materialisiert sich eine Wolke aus Hoffnung und Sinn über unserem Tisch.
‘Absolut,’ sagt Britta, ‘Wir suchen Tony McKay und fragen ihn, warum er kein Buch mehr geschrieben hat.’
Darauf stoßen wir an. ‘Auf die Suche nach Tony McKay,’ sagen wir alle.
‘Es gibt da nur ein Problem,’ sage ich nun, ‘ich weiß nicht, wovon ich das Flugticket bezahlen soll. Mein Konto ist hoffnungslos überzogen und ich sehe nicht, wie ich das Geld für den Flug aufbringen kann - denn rübersegeln werden wir ja wohl eher nicht,’ gebe ich zu bedenken.
‘Hmm, bei mir ist es ähnlich,’ sagt Rosa, ‘da müssen du und ich eben kreativ werden, Maggie.’
Sie dreht sich in Richtung Tresen um, wo Harry bei einer Flasche Whisky überlegt, auf welchen Gaul er nächsten Mittwoch sein Geld setzen soll. Dann lehnt Rosa sich vor und senkt ihre Stimme,
‘Harry kriegt regelmäßig große Lieferungen von Wodka und so anderem
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