Auf der Suche nach Tony McKay
Frauen ruft uns hinterher, ‘May the cactus be with you!’
Hollywood
‘Und, was machen wir jetzt?’ fragt Britta. Sie wirkt so, als ob sie kurz davor ist, ihre Koffer zu packen und sich einen Flug nach London zu buchen.
‘Das muss einen Weg geben,’ sagt Rosa, ‘nur weil die uns keinen Termin geben, ist das kein Grund, an diesem Punkt aufzuhören.
Britta guckt aus dem Fenster auf den ovalen Swimming-Pool, aber antwortet nicht auf Rosas Erwiderung. Wir haben uns in einem kleinen Motel im Westen Hollywoods eingemietet, das zumindest freie WiFi-Verbindung im Preis mit einschließt. Heiko hat mittlerweile herausgefunden, dass Carl Ploszack einer der größten Fernsehproduzenten in Hollywood ist und verantwortlich für den überwiegenden Anteil an erfolgreichen Fernsehserien der letzten zwanzig Jahre. Nicht nur produziert er all seine Shows, er schreibt sie auch selber und hat im Laufe der Jahre so ziemlich jeden Preis dafür gewonnen, den es zu gewinnen gibt. Dies ist für die Branche ungewöhnlich, denn normalerweise halten diese Produzenten sich ein Team von Schreibern. Der Mensch ist infolgedessen einer der reichsten Männer in der Filmindustrie, und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass wir bislang erfolglos waren, einen Termin bei dem zu bekommen. Noch nicht einmal jemanden, der in seinem Produktionsemporium mehrere Ebenen unter ihm steht, haben die uns sehen lassen, auch für die Unterlinge der Unterlinge sind wir noch zu unbedeutend.
Das Ganze erinnert an ‘Vor dem Gesetz’. Den armen Wicht in Kafkas Aphorismus lassen sie ja auch nicht einfach nur abblitzen, der Anblick des Torhüters selber ist schon so furchterregend, dass er gar nicht wagt durch das Tor zum Gesetz zu gehen und die äußere Fürchterlichkeit potenziert sich mit jedem weiteren Torwächter, so dass es dem Mann schlichtweg den Verstand rauben würde. Ähnlich haben wir uns auch gefühlt, als wir bei der Produktionsfirma waren. Nicht nur sind wir nicht vorgelassen worden, die Ansammlung an Freaks dort, entstellt durch zahllose kosmetische Operationen, war derart beängstigend, dass wir froh waren dort wieder raus zu sein. In welchem Universum sind quer über die Stirn tätowierte Augenbrauen attraktiv, möchte ich mal wissen?
Da der direkte Weg also keinen Erfolg gezeitigt hat, müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen.
‘Wie wäre es denn,’ überlegt Rosa laut, ‘wenn wir den beschatten würden? Wir warten an der Straße vor dessen Produktionsfirma und wenn er das Gelände verlässt, dann fahren wir hinterher, um zu sehen, ob er uns irgendwie zu Tony führen kann.’
‘Dazu bräuchten wir aber ein anderes Auto, denn erstens ist der Winnebago zu auffällig, wenn wir den jeden Tag da an der Straße parken und zweitens, ist der auch viel zu langsam und schwerfällig, um damit hinter jemandem hinterher zu fahren,’ sage ich.
‘Wie steht das denn mit unseren Finanzen, Heiko? Haben wir noch genug Geld, um so eine alte Schrottkiste zu kaufen mit der wir Privatdetektiv spielen können?’ will Rosa wissen.
Heiko überschlägt kurz. Seit dem Ausflug in die Wüste haben sich seine Denkprozesse ein wenig verlangsamt. ‘Ich denke schon. So lange wir nichts Extravagantes kaufen ist das wohl noch drin.’
‘Ok, lasst uns mal abstimmen. Wer ist dafür, ein Auto zu kaufen und dann den Ploszack zu beschatten in der Hoffnung, dass er uns zu Tony führt?’ fragt Rosa.
Rosa und ich heben die Hand. Heiko nach einer Pause auch.
‘Und wer ist dagegen?’
Britta hebt die Hand.
‘Nach Enthaltung brauche ich ja wohl nicht mehr zu fragen,’ sagt Rosa.
Britta rollt mit den Augen, kneift die Lippen zusammen, steht auf und holt sich ein Badehandtuch.
‘Ich bin am Swimming-Pool,’ sagt sie, ‘für den Fall, dass mich jemand sucht.’
Heiko, Rosa und ich stehen auf dem Hof eines Gebrauchtwagenhändlers am südlichen Rand von Los Angeles. Bunte Lametta-Fähnchen umflattern das Gelände. Gebrauchtwagenhändler haben heutzutage zwar einen etwas besseren Ruf als Banker, stehen aber in der Hierarchie verabscheuungswürdiger Berufsgruppen immer noch ziemlich weit oben, wahrscheinlich auf einer Ebene mit Maklern. Und auch noch über den deutschen Beamten im Ausland, denn ungeachtet unserer unglücklichen Erfahrungen mit dem Personal des deutschen Konsulats in New York, muss man wohl versuchen objektiv zu bleiben, denn nicht alle von denen sind Alkoholiker oder arbeiten für den Bundesnachrichtendienst, ja ich bin
Weitere Kostenlose Bücher