Auf der Suche nach Tony McKay
erste Schicht. Wir sitzen in dem weißen Buick bei weit geöffneten Fenstern, denn das Auto stinkt penetrant nach Wunderbäumen. Wir haben in den letzten drei Stunden schon diverse Fahrzeuge kommen sehen, unter anderem auch einige Limousinen mit abgedunkelten Scheiben. Rosa hat sich von allen die Nummernschilder notiert. Vermutlich, weil das unseren Beschattungstätigkeiten einen Hauch von Authentizität gibt. Und was tut man natürlich, wenn man im Auto sitzt und jemanden überwacht?
‘Noch mehr Kaffee und Doughnuts?’ frage ich. Wir haben ein Stück die Straße runter ein Cafe entdeckt, das auch Kaffee-to-go macht. Und nicht zu CoffeeAllstars gehört.
‘Ok,’ sagt Rosa.
Als ich die Straße hinunterlaufe, fährt ein offenes Cabrio langsam an mir in Richtung des Produktionsgeländes vorbei. Am Steuer sitzt eine blonde Frau unbestimmbaren Alters, daneben ein Mann, der wie eine dunkelhaarige Kopie der Frau aussieht. Beider Gesichter sind komplett faltenfrei, die Haut straff nach hinten gezogen, was ihren Gesichtern etwas spitz Zulaufendes gibt. Auch die Nasen sind spitz und seltsam nach oben gebogen. Vermutlich hatten beide den gleichen kosmetischen Chirurgen. Unglücklicherweise scheinen sie bei dem Mann auf der einen Gesichtsseite etwas mehr gezogen zu haben, als auf der anderen, und nun sieht er so aus, als habe er kürzlich einen Schlaganfall gehabt.
Man fragt sich, wie solche Menschen Emotionen ausdrücken. Ihre maskenartigen Gesichter sind komplett starr und unbeweglich und dem geneigten Beobachter wird sich die Frage aufdrängen, ob sie vielleicht an Parkinson leiden. Können diese Menschen wirklich derart verblendet sein und ernsthaft glauben, dass all ihre Operationen ein Erfolg waren? Oder haben die hier in Hollywood vielleicht besondere Spiegel mit eingebautem Computerprogramm, die alles Bizarre heraus redigieren und dann die dreißigjährige Version des in den Spiegel guckenden Gesichts reflektieren?
Fraglich ist zum anderen auch, warum das oft so furchterregend schief geht. Man würde ja eigentlich annehmen, dass die Ausbildung zum Schönheitschirurgen eine langwierige und komplizierte Angelegenheit ist, um die Qualität des Resultats zu garantieren. Wenn ich mir aber die armen Opfer dieser Chirurgen hier so betrachte, dann kann das in den meisten Fällen nur ein sechswöchiger Fernkurs gewesen sein bei dem am Ende jede und jeder ein Zertifikat bekommt.
‘You like your coffee,’ bemerkt der mexikanisch aussehende Barrista, der mir den Kaffee macht.
‘Your coffee is pretty nice,’ sage ich, um Konversation zu machen. ‘So, what is Hollywood like, I mean you’ve got some strange looking people here,’ sage ich und denke an das Pärchen, das gerade an mir vorbeigefahren ist.
‘Freak show, you mean,’ antwortet der leise, denn in der Ecke sitzen ein paar Gäste, ‘you know what the latest fashion craze is here? They mix up bird poo with rosewater to smear on their faces to take care of their wrinkles. I mean, honestly...’
Er schüttelt den Kopf. Verständlich, denn wie verzweifelt muss man sein, um sich Vogeldreck ins Gesicht zu schmieren, in der Hoffnung, dass einen das jünger erscheinen lässt?
Als ich zum Buick zurück komme sagt Rosa, ‘Volltreffer! Die Limousine von Carl Ploszack ist gerade auf den Hof gefahren!’
‘Woher weißt du, dass das seine war? Hätte da nicht auch wer anderes drin sitzen können?’
‘Nummernschild,’ antwortet Rosa und zeigt mir, was sie sich notiert hat: C LACK. Sehr originell. ‘Jetzt müssen wir nur noch warten, bis er wieder vom Gelände fährt,’ sagt Rosa
‘Und dann was? Hoffen, dass er bei Tony auf einen Kaffee vorbei fährt?’ frage ich.
Rosa überlegt eine Weile. ‘Wir fahren erst mal hinterher. Falls er zu Tony fährt, gut, falls nicht, dann versuchen wir den irgendwo zu konfrontieren.’
Für einen kurzen Augenblick kommt mir unser ganzer Trip ein wenig wie der Krieg in Afghanistan vor. Mehr als zehn Jahre später, nichts ist wirklich erreicht, aber aus Gründen wohl nur einsehbar für die, die am roten Knopf sitzen, kämpfen die da immer noch weiter. Obgleich in dieser Situation wir ja eigentlich die sind, die am roten Knopf sitzen und die Mission zu jedem Zeitpunkt beenden könnten - warum passiert das aber nicht? Vielleicht ist es ja auch legitim, diese Frage auf größere Situationen aus zu dehnen, nicht nur den Krieg in Afghanistan oder unsere Suche nach Tony McKay, sondern die menschliche Situation überhaupt.
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