Auf der Suche nach Tony McKay

‘if we went to the Dark Place, where would we start looking?’
    Das ist eben der Punkt, Hollywood ist groß und bei all den Studios da kann das Jahre dauern, bis wir die sämtlich abgegrast haben.
    Hank guckt Rosa ernst an. ‘If you really want to go and bring Tony back into the light, you must seek out their High Priest.’
    Ok, den Hohepriester der Lügenerzähler müssen wir also finden, aber hat der denn auch einen bürgerlichen Namen?
    Konversationen mit alkoholisierten Menschen sind ja meistens recht langweilig, drehen sich üblicherweise im Kreis und sind infolgedessen wenig ergiebig. Ja, man sollte derart besser vermeiden, um sich etwaige Frustrationen zu ersparen. Andererseits ist mein Erfahrungshorizont im Umgang mit Leuten, deren Rausch auf psychotrope Substanzen zurückzuführen ist, relativ begrenzt und mein Versuch, aus Hank Informationen heraus zu bekommen ganz nebenbei mein erster Fall von Konversation mit jemandem, der Kaktus gegessen hat. Konsequenterweise sollte ich vielleicht nicht verallgemeinern, aber da dies ja nun mal das einzige ist, worauf ich zurückgreifen kann, so drängt sich mir doch die Schlussfolgerung auf, dass Alkoholiker sich während ihres Rausches nur mehr auf einer Ebene im Kreis bewegen, Kaktusesser und ihresgleichen dagegen in eine komplett andere Dimension abtauchen, von der aus sie hin und wieder ein paar kryptische Weisheiten oder solche, die sie dafür halten, zu uns Nüchternen hinüber schicken. Es bedarf dann an scharfer Kombinationsgabe, um aus dem Gesagten irgendeine Art von Sinn zu ziehen. Genauso ergeht es uns jetzt mit dem guten Hank. Der Hohepriester der Lügenerzähler könnte uns also zu Tony führen, und er sitzt irgendwo in Hollywood. Das ist zumindest mal ein ganz solider Ausgangspunkt.
     
    Heikos Stein hat mittlerweile Kinder bekommen. Sein neuer Freund und er haben kleinere Steine gesammelt und diese rund um den großen in das Nest gelegt. Er scheint sich ganz gut zu unterhalten. Aus psychologischer Perspektive ist es vielleicht auch gar nicht so schlecht, dass er auf diese Weise seine Gefühle über den Verlust von Paulchen ausdrücken kann.
    Als die Sonne vollends aufgegangen ist, beginnen die ersten den Treck zurück in das Wohnwagenlager. Heiko wirkt immer noch ziemlich high und hat das Steinnest zu einem kleinen Dorf ausgebaut.
    ‘Also,’ sage ich zu Rosa und Britta, ’was können wir denn aus dem schlussfolgern, was Hank uns erzählt hat?’
    ‘Zum ersten, dass Tony in Hollywood ist,’ sagt Britta.
    ‘Zum zweiten, dass er für den Feind arbeitet, für die, die Lügengeschichten erzählen,’ sagt Rosa.
    ‘Und wer erzählt in Hollywood Lügengeschichten?’ frage ich.
    ‘Na, da gibt das ja nur eine große Industrie und das ist die Filmindustrie,’ sagt Rosa, ‘also arbeitet der wohl beim Film.’
    ‘Hank hat gesagt, dass er für die singt. Könnte das bedeuten, dass er Filmskripts oder Ähnliches schreibt?’ fragt Britta.
    ‘Das muss es wohl sein. Und unter einem anderen Namen,’ sage ich.
    ‘Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wer der Hohe Priester ist, den ausfindig machen und hoffen, dass der willens ist, uns zu Tony zu führen,’ sagt Britta frustriert, ‘ich schlage vor, dass wir unseren Trip an dieser Stelle abbrechen und statt dessen eine Besteigung von Mount Everest organisieren, das erscheint mir doch irgendwie machbarer.’
    ‘Du, wir sind schon so weit gekommen, ich gebe jetzt nicht auf,’ antwortet Rosa kämpferisch, ‘das ist mir ganz egal, wie unmöglich das erscheint. Ich mach’ weiter, auch wenn die Aussichten noch so schlecht sind, ich will das zumindest versuchen. Und wenn wir dann wirklich ganz Hollywood durchsucht haben, dann können wir immer noch das Handtuch werfen.’
    Damit steht sie auf und geht zu Heiko rüber, der mit Zweigen kleine Vorgärten in seinem Steindörfchen abgrenzt.
    Britta und ich gucken uns an. Sie schüttelt resigniert den Kopf, ‘Ok, bis Hollywood komme ich noch mit, aber wenn wir den da nicht zügig finden werden, dann setze ich mich in das nächste Flugzeug nach London.’
    Sie blinzelt in die Sonne. ‘Ich hab’ definitiv Besseres zu tun, als mit einem Haufen von pensionierten Kiffbrüdern in der Wüste abzuhängen und Heiko dabei zuzugucken, wie er mit Bauklötzen spielt.’
    Sie steht auf und geht langsam in Richtung des Winnebagos. Ich bleibe allein zurück.
     
    Britta, Rosa und ich sitzen im Kreis vor dem Winnebago und erhitzen eine Dose Kidney-Bohnen auf einem kleinen