Auf der Suche nach Tony McKay
auf dem Foto, wahrscheinlich haben die ihn gequält,’ und bei dem Gedanken fängt er wieder an zu weinen.
‘Also für mich sieht der mehr wütend als verzweifelt aus, soweit man bei Katern überhaupt menschliche Emotionen voraussetzen kann,’ sagt Rosa. Britta gibt ihr einen Stoß mit dem Ellenbogen in die Rippen.
‘Ich bin sicher Paulchen ist ok,’ versucht Britta Heiko zu beruhigen und wirft Rosa einen wütenden Blick zu, ‘wir geben das Geld einfach zurück und dann kriegen wir ihn wieder.’
‘Meinst du?’ schnieft Heiko.
‘Wir haben nur ein Problem,’ sage ich nun, ‘die wollen 25.000 haben – in dem Umschlag waren aber nur 20.000. Wo kriegen wir bis heute Abend 5.000 Euro her?’
Außer den 400 Euro Profit aus dem Verkauf des polnischen Cognacs haben Rosa und ich zwei überzogene Konten, und Britta ist pleite seit dem Desaster mit dem christlichen Rocker. Heiko dürfte einiges zurückgelegt haben, fraglich aber, ob es reicht und ob er am Sonntag an sein Gespartes herankommt.
‘Pass auf,’ sagt Britta, die einen gewissen Sinn für’s Praktische hat, ungeachtet ihrer Neigung sich auf zum Scheitern verurteilte Beziehungen einzulassen, ‘Plan: wir checken erst mal, ob deine Mutter in Ordnung ist, dann fahren wir zu mir, ich mach’ einen Pott Kaffee und wir besprechen alles in Ruhe.’
Als Heiko aufsteht, um die Treppe hinunter in die Wohnung seiner Mutter zu gehen, sagt Rosa, ‘Heiko? Ich denke du solltest dich erst mal umziehen...’
Er guckt an sich hinunter, dann schleppt er sich wortlos in sein Schlafzimmer.
Nach mehrminütigem Klingeln öffnet Heikos Mutter im Bademantel und Lockenwicklern die Tür. Sie guckt Heiko und uns kurzsichtig an.
‘Na, hattet ihr einen schönen Ausflug nach Hamburg?’ will sie wissen, ‘wie spät ist das denn?’
‘Halb zwei,’ sagt Heiko, ‘hast du in der letzten Stunde irgendetwas Ungewöhnliches gehört?’
‘Ungewöhnliches? Nee, ich hab’ ja geschlafen. Was soll ich denn gehört haben?’
Heiko hat sichtlich Schwierigkeiten, die Fassung zu bewahren.
‘Bei mir ist eingebrochen worden und die haben Paulchen mitgenommen...’ Er ist wieder den Tränen nahe. ‘Und er braucht doch seine Medizin!’
‘Paulchen?’ fragt Frau Hansen. Man sieht ihr an, dass sie Schwierigkeiten hat, diese Information zu dieser Tageszeit zu verarbeiten. ‘Haben die denn sonst nichts mitgenommen?’
Heiko schluchzt wieder, so antwortet Britta, ‘Nein, es sieht so aus als ob die nur den Kater mitgenommen haben, allerdings verlangen sie Lösegeld für ihn.’
Frau Hansen guckt als ob sie am 24.Dezember dem Osterhasen die Tür aufgemacht hätte. Für sie scheint all das keinen Sinn zu machen, es passt nicht in ihr Weltbild. In einer bürgerlichen norddeutschen Kleinstadt werden keine Einliegerwohnungen vandalisiert, Kater entführt und Lösegeldforderungen gestellt. Dort hat man einen soliden Job, zum Beispiel auf der Bank, spart auf eine Doppelhaushälfte und wenn die Rückzahlungen für den Bausparkredit das erlauben, dann kauft man sich noch ein paar Vorgartenornamente. So ist die Welt hier, und so sollte sie auch bleiben. Hauptaufgabe der Polizei ist es, Fahrradfahrer aufzuschreiben, die gegen die Einbahnstraße fahren und nach Einbruch der Dunkelheit ohne Licht. Aber sicherlich nicht, Katzenentführer zu schnappen. Frau Hansen ist also entsprechend verwirrt.
‘Wir sind froh, dass die Einbrecher Sie nicht belästigt haben, Frau Hansen. Wir fahren jetzt erstmal zu mir, um zu besprechen, wie wir Paulchen wieder zurückbekommen können. Könnten Sie in Heikos Wohnung noch ein bisschen aufklaren und morgen früh den Schlüsseldienst rufen, so dass die neue Schlösser einbauen?’ sagt Britta.
‘Aber sollten wir nicht lieber die Polizei informieren?’ fragt Heikos Mutter.
‘Nee,’ sagt Rosa entschlossen, ‘das müssen wir selber regeln.’
Wir lassen die arme Frau in ihrer Verwirrung stehen und gehen zum Auto. Heiko ist mittlerweile ein komplettes emotionales Wrack. Er setzt sich nach hinten, umklammert seine Ellenbogen und wiegt sich vor und zurück. Britta setzt sich auf den Fahrersitz und startet den Wagen.
Wir sitzen um Brittas Esstisch, Kaffeepott in der Mitte, zur Lagebesprechung. Heiko liegt nach Gabe von zwei Valium in Brittas Bett und schläft.
‘Also, zu diesem Zeitpunkt haben wir 19.900 Euro, plus 400 Euro von eurem Ausflug nach Westerdeichstrich, macht 20.300 Euro. Vorschläge, wie wir in den nächsten zwanzig Stunden 4.700 Euro
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