Auf der Suche nach Tony McKay
Annere gefunden? Musst nie weinen, so’ne schmucke Deern wie du, die findet ook wieder `n neuen,’ klopft Heiko zweimal auf die Schulter und schlurft zurück zu ihrem Kreuzworträtsel. Zumindest hat das bewirkt, dass Heiko mit dem Flennen aufhört.
Wir trinken schweigend unseren Kaffee, zahlen und dann tritt Rosa vorsichtig vor die Tür. Sie winkt uns zu und wir folgen ihr auf die Straße. Von Lothar oder Nikolajs Männern ist niemand zu sehen – entweder haben die unsere Spur verloren, oder sind schon auf dem Weg nach H.
Wir gehen zurück in die Richtung aus der wir gekommen sind und finden nach zehn Minuten planlosen Suchens endlich Heikos Auto. Die Fahrt zurück nach H. ist lang und unheilvoll still.
Paulchen ist weg
Es ist 0:30 Uhr. Die einzige Straßenlaterne in Heikos Straße kämpft tapfer gegen den Nebel an. Wir sind allein, keine anderen Autos unterwegs, was eine Riesenerleichterung ist. Wir fahren einmal langsam an Heikos Haus vorbei, wenden und halten dann vor seiner Haustür. Diese steht offen. Britta setzt sich auf den Fahrersitz für den Fall, dass wir zügig abhauen müssen, wir anderen steigen aus und nähern uns vorsichtig dem Haus.
Die Tür zu der Wohnung von Heikos Mutter ist verschlossen, dahinter ist alles still. Wir steigen langsam die Treppe hinauf. Heikos Wohnungstür ist geöffnet. Rosa geht vor, wir hinterher. Die Wohnung ist in einem Zustand kompletten Chaos. Papier, Klamotten, Küchenutensilien, alles durcheinander geworfen.
Heiko steht mit offenem Mund, starr vor Schreck. Dann beginnt er durch die Wohnung zu rennen.
‘Paulchen?’ schreit er hysterisch. Sein Suchen wird zunehmend hektischer. Ich entdecke eine Blutspur, die aus dem Schlafzimmer in den Flur führt. Bei genauem Hinsehen zieht sie sich die Treppe hinunter. Rosa und ich gucken uns an. So fies das Paulchen auch sein konnte, in die Schusslinie zwischen osteuropäischen Mafiosi und Gangstern aus St.Pauli zu geraten, hat er nicht verdient.
Heiko kommt zurück und bleibt vor uns stehen. Er guckt uns an und merkt, dass etwas los ist.
‘Habt ihr ihn gefunden? Wo ist er?’ schreit er.
Ich zeige auf die Blutspur, kleine Tröpfchen, die ein unregelmäßiges Muster die Treppe hinunter malen. Heiko stösst einen Schrei des Horrors aus und fällt auf die Knie.
‘Aber, das würde doch niemand tun, so gemein kann doch einfach keiner sein!’
Heikos Naivität ist rührend, hilft uns im Moment aber auch nicht weiter.
‘Vielleicht ist er auch entkommen,’ sagt Heiko plötzlich und steht auf. Er dreht sich zu uns, einen Funken Hoffnung in der Stimme, ‘die Tür stand offen, vielleicht ist er weggelaufen und versteckt sich draußen,’ und mit diesen Worten stürzt er die Treppe hinunter auf die Straße laut ‘Pauli?’ rufend.
Rosa geht hinterher, um Britta zu holen, und ich beginne, die Wohnung etwas aufzuräumen.
‘Die haben den Kater umgebracht?’ fragt Britta fassungslos als sie die Treppe herauf kommt. Von draußen hören wir Heikos verzweifelte Rufe nach seinem Paulchen.
Rosa zeigt auf die Blutspur. Britta schüttelt den Kopf. Sie macht sich daran, das Wohnzimmer aufzuklaren, ich gehe ins Schlafzimmer und Rosa übernimmt die Küche. Nach einer Weile höre ich Rosa rufen,
‘Kommt mal her und guckt euch das an!’
Sie hält ein Polaroidfoto in der Hand. Auf dem Foto ist das Paulchen in einem Karton zu sehen, Ohren angelegt, das Maul fauchend aufgerissen und eine Pfote zur Kralle gespreizt in Richtung des Fotografen gestreckt. Auf der Rückseite steht in krakeliger Schrift:
‘25.000 Euro heute Abend 22:00 Uhr, auf Marktplatz, sonst Katze tot!
‘Aber das bedeutet ja, dass Paulchen noch am Leben ist,’ rufe ich erleichtert.
In dem Moment kommt Heiko zurück, die Augen wild, das Kleid verrutscht, Stöckelschuhe in der Hand.
‘Ich hab’ überall gesucht, er ist weg!’ und bricht weinend am Küchentisch zusammen.
‘Guck dir das mal an,’ sagt Britta und zeigt ihm das Foto. Heiko wischt sich die Tränen weg, die schwarze-blaue Bäche von Mascara und Lidschatten auf seinen Wangen hinterlassen haben. Er putzt sich die Nase und nimmt das Foto. Als er das Paulchen in dem Karton sieht, legt er den Kopf in den Nacken und stößt einen Schrei des Entsetzens aus.
‘Aber, Heiko, begreifst du nicht,’ sagt Britta, ‘Paulchen lebt!’
Heiko guckt sie wie durch einen Nebel hindurch an, dann starrt er wieder auf das Foto.
‘Meinst du er ist ok?’ fragt er leise, ‘er sieht so verzweifelt aus
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