Auf der Suche nach Tony McKay
führen können. Wir sind restlos erschöpft und seltsam leer. Obgleich sich unsere Lage nicht wirklich verändert hat, ist die Stimmung ein wenig besser. Der kollektive Lachanfall hatte eine kathartische Wirkung, ähnlich einem Heulkrampf, der einen hinterher auch irgendwie weniger unglücklich zurücklässt. Weinen, Lachen – Emotionen mit unterschiedlichen Vorzeichen, aber gleich insofern, als dass eine Überdosis die Psyche des Individuums in gewissem Sinne wieder neutralisiert. Sollte das so sein? Ist zu viel von etwas nicht immer ungesund, werden wir nicht von Kindheit an dazu angehalten, das gesunde Mittelmass zu finden? Wie also ist es da möglich, dass eine Überdosis an Emotionen therapeutisch wirkt? Oder ist das Lachen und das Weinen in diesem Fall die Therapie: das Übermaß an Emotionen hat die Psyche aus dem Gleichgewicht geworfen und Lachen/Weinen sind die Werkzeuge mit denen wir alles wieder ins Lot bringen?
Da wir das gesamte Geld nicht werden aufbringen können, müssen wir umdisponieren. Wir wissen, dass Paulchen heute Abend um 22:00 Uhr auf dem Marktplatz sein wird. Unsere Diskussionen kreisen jetzt um Mittel und Wege, wie wir den Kater zurückbekommen können, auch ohne die vollen 25.000 Euro zu zahlen.
‘Glaubt ihr die werden das Geld an Ort und Stelle zählen?’ will Britta wissen.
‘Bestimmt, die sahen nicht so aus, als ob sie auf eine dünne Schicht von Euros obendrauf und zurechtgeschnittenem Papier da drunter hereinfallen würden,’ bemerkt Rosa.
‘Könnten wir nicht nach verhandeln?‘ überlege ich, ‘wir haben etwas mehr als 20.000 Euro, das ist immerhin mehr als die Kerle verloren haben. Wir könnten ihnen obendrauf Heikos Auto anbieten.’
‘Das wäre eine Möglichkeit,’ meint Britta.
‘Oder aber wir zögern die Übergabe hinaus. Während Heiko und Britta dann mit Nikolajs Männern verhandeln, schleichen Maggie und ich uns von hinten an deren Auto, schnappen Paulchen, schleichen weg, ihr wickelt die Verhandlungen schnell ab, und wir machen die Biege.’
‘Der Marktplatz um 22 Uhr Abends dürfte ziemlich leer sein. Wie willst du dich da anschleichen? Die sehen euch ja schon einen Tag im Voraus.’
Das ist allerdings richtig. H.s Marktplatz ist von geradezu monströser Größe, nicht nur behauptet er sich gegen die wenigen Autos, die verstreut darauf stehen, ja er lässt jeden, ob Auto oder Mensch, seine eigene Bedeutungslosigkeit angesichts dieses großen leeren Raumes spüren. Der spätmittelalterliche Stadtplaner verantwortlich für den Marktplatz, hatte offenbar andere Pläne für H., die dann aber den Weg alles Irdischen gegangen sind. Den einzigen nützlichen Zweck, den er tatsächlich irgendwann einmal erfüllen könnte, wäre wohl als Landebahn im Falle einer Invasion Außerirdischer. Sollten die ihre Invasion aber wirklich in H. beginnen – was obgleich höchst unwahrscheinlich, da Begegnungen mit Außerirdischen in der Regel Bewohnern der US of A vorbehalten sind, mathematisch betrachtet aber eine Möglichkeit ist – so würden die sich einmal umgucken, mit den Schultern zucken, und wieder abhauen. [8]
‘Na gut, das klingt ein bisschen Da-Vinci-Code, aber besser als gar kein Plan. Oder warte mal. Wie wäre es, wenn du bei der Verhandlung einen epileptischen Anfall vortäuscht?’ sagt Rosa nun etwas animierter zu Britta, ‘das dürfte die Jungs ablenken, so dass wir Zeit genug hätten von hinten an deren Auto zu kommen.’
Britta ist sichtlich unbehaglich zu Mute bei dem Gedanken.
‘Aber was wenn die Paulchen nicht im Auto lassen, sondern im Karton unter den Arm geklemmt?’ antwortet sie skeptisch.
Rosa ist nicht so schnell bereit, ihren Plan aufzugeben. ‘In dem Fall müssen die ja den Karton auf die Erde stellen, um dir zu helfen – und das ist dann unsere Chance.’
‘Aber was wenn die Britta gar nicht helfen wollen, sondern lassen sie einfach da liegen und zucken?’ sage ich.
Es ist mittlerweile fünf Uhr nachmittags, grau-dunkel und nass-kalt draußen, Heiko ist immer noch MIA, [9] als es an der Tür klingelt.
Britta springt auf und öffnet. ‘Gott sei Dank, wir haben schon angefangen, uns Sorgen zu machen.’
Heiko tritt in die Wohnküche, eine Sporttasche in der Hand. Er stellt die Tasche auf den Küchentisch, macht den Reißverschluss seiner Jacke auf und setzt sich hin. Dann guckt er auf seine Hände, atmet einmal tief durch und guckt uns an.
‘Heiko, was ist in der Tasche?’ fragt Britta nervös. Er guckt sie an und zieht den
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