Auf die Freundschaft!
bin Lutz.“
„Claudia.“
„Du riechst wunderbar nach Rosen, Claudia“, hauchte Lutz und schloss wieder die Lücke zwischen uns. Er strich mit seiner Hand über meine Wange und meinen Hals entlang. Es war eigentlich ein Lavendelduft, aber ich korrigierte ihn nicht. Sein Gesicht näherte sich meinem. Dann küsste ich ihn. Zuerst zaghaft, dann forschend und schließlich leidenschaftlich. Seine Zunge glitt über meine Lippen und suchte dann meine Zunge. Ich ließ es geschehen, entspannte meine Schultern und überließ ihm die Führung. Mein Glas ließ ich in der Küche, meine Schuhe im Flur, mein Kleid auf der Treppe und meine Unterwäsche vor dem Schlafzimmer.
Ich würde gerne sagen, dass diese Nacht eine Aneinanderreihung orgastischer Höhepunkte war, dass wir uns von animalischer Lust getrieben durch das ganze Haus schliefen. Aber, um ehrlich zu sein, war es einfach nur nett. Lutz wusste, was er tat, obwohl er wenig aus der Übung zu sein schien. Mit ein bisschen Training sah ich aber durchaus Potenzial.
Nun schnarchte er selig, nackt und schweißgebadet. Die Hälfte seines durchaus attraktiven Körpers war bedeckt von seiner Bettdecke, während ich wach daneben lag. Vielleicht würde ich Montag etwas Rotes im Büro tragen, das schien ihm zu gefallen.
„Immer willst du dich verbiegen“, dachte ich und murrte mich selbst an. Karin hatte Recht. Sie hatte mir erst letzte Woche vorgeworfen, mich immer anpassen zu wollen.
Plötzlich hatte ich kein Interesse mehr, mich an Lutz zu schmiegen. Im Gegenteil: Ich wollte nach Hause. Aber ich konnte nicht wie eine verdeckte Ermittlerin heimlich das Haus verlassen und ihm nach dem Wochenende wieder im Büro begegnen, als sei nichts gewesen. Nein, ich musste hier bleiben. Ich fragte mich, was er wohl von mir erwartete. Ging er davon aus, dass ich zum Frühstück blieb? Unterhalten konnten wir uns, davor hatte ich keine Angst, aber es war das erste Mal, dass ich mit einem Mann im Bett gelandet war, mit dem ich keine Beziehung hatte. Meine wilden Abenteuer als Teenager beschränkten sich auf Knutschereien an Bushhaltestellen und ein paar Pettingversuche mit dem Jungen aus dem Abiturjahrgang, als ich sechzehn war. Ken war es gewesen, der mich erforschen durfte und dem ich mich hingegeben hatte.
Ich hatte also viel nachzuholen.
Ich konnte nicht umhin, mich zu fragen, wie Ken sich bei seinen Seitensprüngen verhalten hatte. War er gegangen, wenn er fertig war und hatte seine Affäre schlafen lassen? Bis zum Frühstück war er wohl kaum geblieben, denn er war morgens immer zu Hause gewesen. Zudem war er dafür auch nicht der Typ. Er wollte lieber ein bisschen Spaß haben und dann Zeit mit seiner Familie verbringen. Denn das musste man ihm lassen: Seine Familie war ihm immer ein großes Anliegen gewesen. Er hatte sehr viel mit Mike unternommen und war stets darauf bedacht, ein gutes Verhältnis zu ihm zu pflegen. Auch jetzt, wo wir in Deutschland lebten, rief er Mike regelmäßig an und schrieb ihm E-Mails, in denen er mir stets Grüße ausrichtete.
Nein, ich wollte mich nicht einfach aus dem Staub machen in meinem engen roten Kleid und mich auf eine Stufe mit einem Fremdgänger wie Ken stellen. Ich setzte mich gerade hin, richtete den Kopf auf (auch wenn es niemand sehen konnte) und lächelte in die Nacht hinein. Ich würde das durchziehen und zu Ende bringen, was ich begonnen hatte. Mit neuem Mut betrachtete ich meinen schnarchenden Bettnachbarn.
Eigentlich war er ja ganz niedlich.
Er war intellektuell und gebildet, las anspruchsvolle Bücher und hatte promoviert. Er leitete ein Gymnasium, hatte einen schicken Wagen und guten Geschmack. Außerdem sah er wirklich gut aus. Sexy, irgendwie. Er wahrte stets die Fassung, wägte ab und vermittelte. Gleichzeitig hatte er aber eine so autoritäre Aura, dass ihm ohnehin niemand widersprach.
Ich gestand mir ein, dass Lutz mich faszinierte. Wenn ich ein kleines bisschen mehr wie er sein könnte, hätte ich in meinem Leben weniger Probleme. Er hätte sich nicht so von seiner Frau benutzen lassen wie ich mich von Ken, dessen war ich mir sicher. Gleich beim ersten Fremdgehen hätte er seine Frau zur Rechenschaft gezogen und vor die Wahl gestellt: Er oder ich.
Ich konnte mir Dr. Wantisek auch gut als Bürgermeister vorstellen.
Oder als Bundeskanzler.
Oder als Weltpräsident.
Ein Weltpräsident mit einer adretten Frau in einem engen roten Kleid, in dem man nicht atmen konnte.
Ich schob den Gedanken vorerst beiseite
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