Auf die Freundschaft!
ich auch mal verheiratet war“, meinte Hannah. „Aber ich habe festgestellt, dass ich nicht die Art von Mensch bin, die sich für andere aufgibt. Das Kapitel Beziehung und Ehe ist für mich beendet.“
Einige Sekunden lang hatte ich die Befürchtung, dass die Stimmung nun kippen würde, aber Hannah fing sich wieder. „Es ist ja nicht so, dass ich jeden Tag heulend im Bett liege.“
„Nur wenn einer besonders schlecht war“, grinste Maria, und wir lachten.
„Apropos: Ich hatte auch schon einmal eine Affäre mit meinem Chef“, gestand Hannah nun in einem fröhlichen Ton, als sei nichts gewesen. Karin zog eine Augenbraue hoch.
„Wundert mich nicht. Du hast ja schon die halbe Stadt in deinem Bett gehabt.“
„Und dieser Typ war sehr wohl verheiratet.“ Hannah ignorierte Karins Spitze.
„Ich sage euch, die Verheirateten sind oft die besten! Sie sind ausgehungert nach Leidenschaft und Lust und wollen gleich zur Sache kommen.“
Ich wollte natürlich Details zu ihrer Affäre mit dem Chef wissen. Hannah geriet ins Plaudern und berichtete von ihrer alten Arbeitsstelle, wo sie gleichzeitig mit ihrem direkten Vorgesetzten und dessen Chef eine Affäre hatte, ohne dass die Männer voneinander wussten. Hannah erzählte eine Geschichte nach der nächsten, bis um viertel nach elf einer der Kellner an unseren Tisch kam und unmissverständlich klar machte, dass das Café jetzt schließen würde. Wir bezahlten und gingen hinaus.
„Bis nächsten Freitag“, verabschiedete ich mich.
„Erzähl uns von dem Theaterabend!“, rief Maria mir hinterher.
Kapitel 2
Das Stück, das Dr. Wantisek und ich uns ansehen wollten, hieß „Nina und Anton“. Ehrlich gesagt, hatte ich nicht die geringste Ahnung, worum es dabei ging.
Auf meinem Bett lagen drei zur Auswahl stehende Outfits: Ein Hosenanzug in Anthrazit für einen unverbindlichen Abend, ein enges rotes Kleid, das förmlich nach körperlicher Intimität schrie, und schließlich ein schwarzer Rock und eine grüne Bluse als Kompromiss zwischen beiden Alternativen.
„Ich hätte gestern auf das letzte Stück Kuchen verzichten sollen“, fluchte ich leise, als ich mich in das zu enge rote Kleid zwängte. Es war für einen Oktoberabend eigentlich zu dünn. Hoffentlich regnete es heute nicht. Ich atmete ein letztes Mal für diesen Abend tief ein, sog allen Sauerstoff der Umgebung in meine Lungen, hielt kurz inne und pustete alle Luft wieder hinaus aus meinem Körper. Als meine Lungen leer waren, konnte ich den Reißverschluss schließen. Dr. Wantisek würde einen Winkelschleifer brauchen, wenn er nachher mein Kleid wieder öffnen wollte – und mich vorher in ein Sauerstoffzelt tragen müssen. Aber das war mir der heutige Abend wert. Ich war froh, dass Mike gleich nach der Schule zu seinem neuen besten Freund Sascha gegangen war. So konnte ich mich in aller Ruhe fertig machen.
Meine Haare hatte ich mit einem Glätteisen gebändigt. Normalerweise erinnerten sie an Tina Turner, aber heute fielen sie elegant über meine Schultern. Ich zog meine Lippen mit einem zum Kleid passenden Lippenstift nach und steckte ihn in meine kleine schwarze Handtasche. Kritisch sah ich in den Spiegel und betrachtete die Frau, die mich anstarrte. Ich sah aus, als wolle ich eine Ü30-Party unsicher machen. So ging man sicher nicht ins Theater!
An meiner Garderobe hing ein schwarzes Seidentuch. Ich faltete es auseinander und legte es wie eine Stola um meine Schultern. Ja, das wirkte eleganter. Ich schlüpfte in meine schwarzen Pumps, als es auch schon an der Tür klingelte. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer und in meinem Bauch kribbelte es. Seit meiner ersten Verabredung mit Ken war ich nicht mehr so aufgeregt gewesen.
Aber plötzlich kamen mir Zweifel: War ich vielleicht doch zu aufgetakelt? Nicht, dass Dr. Wantisek mich zu billig fand. Außerdem war ich kein junges Mädchen mehr. Konnte ich in meinem Alter so ein Kleid überhaupt noch tragen? Was trug man überhaupt, wenn man ins Theater ging? Vielleicht hätte ich doch lieber den Hosenanzug…?
Für jede Revision war es nun zu spät. Meine Verabredung wartete, also hielt ich die Enden der Stola mit einer Hand zusammen, verschloss die Tür mit der anderen Hand und trippelte zu Dr. Wantisek.
Er war in einen schwarzen Mantel gehüllt und auf seinen Schultern ruhte ein weißer Schal. Seine lachenden Augen begutachteten mich. Mein Herz schlug bis zum Hals.
„Sie sehen umwerfend aus, Frau Robinson.“
Er reichte mir eine Hand, damit
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