Auf die Freundschaft!
ihn oder konnte ohne ihn nicht einschlafen. Wir schliefen ohnehin nie in einer Wohnung, weil Lutz es nicht wollte. In den ersten Wochen war mir das mehr als recht gewesen, denn ich wollte nicht, dass Mike und Lutz sich morgens in ihren Schlafanzughosen im Bad begegnen mussten. Aber wollte ich so den Rest meines Lebens verbringen?
Eigentlich machte ich Lutz keinen Vorwurf: Er strengte sich nach seinen Möglichkeiten an, aber es reichte mir nicht. Nicht ein einziges Mal hatte er „Ich liebe dich“ gesagt und in der Schule wusste noch immer niemand von unserer Beziehung. Dabei waren jetzt schon drei Monate vergangen, seit er mich ins Theater eingeladen hatte. Wenn ich ehrlich war drehten sich unsere Gespräche auch nie um uns. Wir redeten ausschließlich über oberflächliche Dinge, nie über unsere Beziehung oder unsere Zukunft. Wir würden das definitiv ändern müssen.
Um mich wieder auf andere Gedanken zu bringen, fing ich an, einen Krimi zu lesen. Wer sich mit verschwundenen Leichen beschäftigt, hat keine Zeit, um an Gefühle zu denken.
Wenig später klingelte es. Allerdings erwartete ich niemanden. Lutz war auf dem Weg nach Braunschweig, wie jeden Freitag, und die Mädels hatten alle abgesagt. Ich öffnete die Tür.
„Maria? Was ist los?“
Sie war tränenüberströmt und sah elendig aus. Geräuschvoll zog sie die Nase hoch. Schnell zog ich sie in meine Wohnung, setzte sie auf meine Couch und nahm neben ihr Platz.
Sie weinte weiter und ich reichte ihr Taschentücher. Ich legte meine Hand auf Marias Bein und wartete darauf, dass sie mir erklärte, was los war.
„Tut mir leid, dich zu stören, Claudi, aber Karin ist nicht da und ich wollte nicht zu Hannah gehen. Ich war beim Arzt…“
Ihre Stimme brach ab. Tränen rannen ihr über die Wangen.
„Ich…ich…ich…“
Sie hatte nicht genug Luft, um einen Satz herauszubringen, also umarmte ich sie, bis sie sich beruhigt hatte. Sie starrte auf das Taschentuch, das sie zwischen den Händen hielt, als sie sprach.
„Die Ergebnisse haben es bestätigt. Ich kann keine Kinder bekommen.“
Sie blickte mich eine Sekunde lang an, dann brachen erneut Tränen aus ihr hervor. Schluchzend erklärte sie mir, dass sie heute Nachmittag das Ergebnis von ihrem Frauenarzt mitgeteilt bekommen habe. Christian war bis morgen auf einer Geschäftsreise, weshalb sie ihn noch nicht informiert hatte.
„Ich habe es ja schon vermutet, aber die Wahrheit zu hören, ist so niederschmetternd. Ich werde nie Kinder haben können, Claudia! Das ist für mich ein Weltzusammenbruch! Seit Jahren arbeiten wir an diesem Traum, aber seit dieser Fehlgeburt...Ich habe wohl eine Deformierung der Gebärmutter, die es unmöglich macht, Kinder auszutragen. Der Arzt hat mir abgeraten, es weiter zu probieren.“
„Was für eine Deformierung denn?“, wiederholte ich ungläubig. „Das muss dein Frauenarzt doch schonmal gesehen haben!“
Maria schniefte und schüttelte den Kopf.
„Der Arzt meinte, das sieht man nur mit so einem 3D-Ultraschall. Ich habe ihn nach künstlicher Befruchtung gefragt, aber er meinte, das mache keinen Unterschied.“
Jetzt schniefte sie wieder herzergreifend.
„Es tut mir so leid für euch, Maria“, sagte ich schließlich und umarmte sie intensiv. Eine Zeit lang saßen wir einfach so da. Ich hielt Maria im Arm, sie weinte leise in meinen Pullover und wir hingen unseren Gedanken nach.
„Wäre Adoption nicht eine Lösung?“, hakte ich nach einer Weile nach. Maria sah mich mit schwarzen Mascararändern unter den Augen an. Sie überlegte.
„Ach, ich weiß nicht. Ich könnte es mir vielleicht irgendwann mal vorstellen, aber Christian will jetzt alles aufgeben. Er meinte, wenn das Ergebnis eindeutig ist, will er das Schicksal akzeptieren und Kinder aus seinem Leben streichen.“
Neue Tränen rannen Maria die Wangen hinunter.
Es war bereits nach Mitternacht, als Maria meine Wohnung verließ. Bevor ich die Tür schloss, drehte sich Maria noch einmal um und lächelte so, wie ich sie kannte. Alles wird gut, redete ich mir ein. Nichts im Leben passiert aus Zufall.
Ich war sehr froh, dass ich das große Glück haben durfte, Mutter zu sein. Ich schloss die Tür, durch die Maria gegangen war und drehte mich nach links. Hinter dieser Tür schlief Mike. Ich konnte ihn leise schnarchen hören und mein Herz zog sich liebevoll zusammen. Er war das Wichtigste in meinem Leben und ich liebte ihn mehr als mich selbst. Seufzend strich ich mit einer Hand über die Tür. Er
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