Auf die Freundschaft!
Wir waren einverstanden und begannen das Spiel.
„Mikey, warum machst du denn so einen doofen Zug? Guck mal, hier ist Mr. X vor zwei Zügen aufgetaucht.“ Susie tippte auf ein Feld auf dem Spielbrett. „Dann hat er zwei Mal die U-Bahn genommen. Du hättest doch lieber mit dem Taxi hier hin fahren können.“
„Ja, Honey, das stimmt.“
Er konnte seine Wurzeln wohl nicht leugnen. Ken hatte mich auch oft Honey genannt.
„Ist doch Unsinn“, mischte sich Hannah ein. „Mike, lass dir da nicht reinreden, auch wenn Susie noch so große…ähm…Augen hat. Wenn du jetzt das Taxi zur 34 nimmst, haben wir noch eine Chance.“
Susie guckte säuerlich, musste aber eingestehen, dass Hannah recht hatte.
Kurz vor Mitternacht unterbrachen wir unser Spiel, um den Countdown zu verfolgen. Dabei gab uns eine Liveschaltung aus Berlin die genauen Sekunden vor dem neuen Jahr an und wir zählten gemeinsam von zehn rückwärts.
„Zehn!“
Nächstes Jahr würde sich viel ändern.
„Neun!“
Ich würde eine öffentliche, feste Beziehung mit Lutz führen.
„Acht!“
Vielleicht könnten wir im Laufe des Jahres bei ihm einziehen.
„Sieben!“
Und wenn das klappte, vielleicht würden wir uns ein eigenes Haus kaufen.
„Sechs!“
Ein Haus mit Kamin und Garten.
„Fünf!“
Ein Haus mit Kamin und kleinem Garten, dafür aber einer großen Terrasse für mich und die Mädels für die lauen Sommernächten bei einem Glas Hugo.
„Vier!“
Es würde ein gutes Jahr werden.
„Drei!“
Maria würde bestimmt schwanger werden.
„Zwei!“
Hannah und Karin würden ihr Leben vermutlich genau wie jetzt aussehen lassen.
„Eins!“
Und ich würde einen tollen Mann an meiner Seite haben und einen neuen Lebensabschnitt beginnen.
„Frohes neues Jahr!“
Ich umarmte zuerst Hannah, da sie und ich die einzigen waren, die niemandem zum Küssen an ihrer Seite hatten. Ich bemerkte, wie Christian Marias Gesicht in seinen Händen hielt und ihr eine Träne wegwischte. Für die beiden wünschte ich mir von ganzem Herzen ein leichter zu verkraftendes Jahr. Manfred und Karin umarmten sich und Finn, der in seinem grünen Schlafanzug zum Fressen süß aussah. Er hatte unbedingt dabei sein wollen, obwohl ihm die Augen im Stehen zufielen.
Anschließend stießen alle Anwesenden mit Sekt und Saft an und ich umarmte jede einzelne Person.
„Frohes neues Jahr, Claudia.“
„Frohes neues Jahr, Susie. Und schön, dass ich dich endlich mal kennenlernen konnte.“
Kapitel 5
Das neue Jahr begann mit Frost und Schnee. Ich holte mir eine Blasenentzündung und eine dicke Erkältung. Warum zog ich auch im tiefsten Winter einen kurzen Rock zur Arbeit an? Ach ja: ich wollte Lutz beeindrucken. Das klappte allerdings nicht, denn ich wurde eine Woche lang krankgeschrieben und Lutz hatte nichts von meinem Versuch, sexy zu wirken. Ich verbrachte die Tage auf meiner geräumigen Couch, las Schmachtromane und sah mir drei Mal „Wie ein einziger Tag“ an, wobei ich jedes Mal in Tränen ausbrach.
Leider fing ich nach ein paar Tagen vor lauter Langeweile an, über unsere angehende Beziehung zu reflektieren.
Es war ja nicht schlecht mit Lutz, keineswegs!
Auf der „Haben“-Seite stand definitiv, dass er ein toller Mann war, der meinen Musikgeschmack teilte und genug erlebt hatte, um nicht zu viel von einer Frau zu erwarten, aber noch nicht genug, um ein Leben lang verbittert zu sein. Lutz war über den Tod seiner Frau hinweg und behandelte mich gut. Im Gegensatz zu mir konnte er gut kochen, war ein fairer Chef, wir hatten sehr genussvolle Stunden und er führte mich in die hohe Kunst der echten Weinverkostung ein (ich hatte den Wein bisher einfach in ein Glas gegossen, bis mich nach dem dritten Glas die wohlige Wärme erfüllte). Außerdem kümmerte er sich um mich. Wir machten regelmäßig Vorleserunden und besuchten Kunstausstellungen. Was wollte ich also mehr?
Natürlich wusste ich im Prinzip genau, was mir fehlte, aber ich wollte es nicht wahr haben: Ein bisschen mehr Twilight und weniger Brockhaus. Ich wollte Funken sprühen sehen, sich verzehrende Körper in ekstatischen Bewegungen, Abenteuer, Liebe.
Liebe.
Das war es: Ich war nicht so sehr in Lutz verliebt, wie ich dachte. Wie ich gehofft hatte. Ich fühlte mich von ihm auch nicht so geliebt, wie ich es wollte. Jedenfalls spürte ich kein aufgeregtes Ziehen im Bauch (außer jetzt gerade, allerdings waren das eher die Symptome der Blasenentzündung), ich wartete nicht mehr sehnsüchtig auf
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