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Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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Anfälle von GEMINI - ADS aus. Jawohl, GEMINI - ADS ! Eine äußerst heimtückische Krankheit, die ich entdeckt und ihr einen Namen gegeben habe. Kein Witz! GEMINI - ADS kann jeden von uns erwischen! Es handelt sich dabei um ein Syndrom, das ausschließlich von nervigen Menschen ausgelöst wird. Häufig auftretende Symptome sind pochende Kopfschmerzen, geschwollene Halsschlagadern und das zwanghafte Bedürfnis, seinem Gegenüber immer wieder die Worte » GE h MI r NI cht Auf Den Sack!« ins Gesicht zu schreien. Das Heimtückische dabei ist, dass einen soziale Zwänge und jahrelang gesellschaftlich eingetrichterte Höflichkeitsvorstellungen daran hindern, diese Worte tatsächlich auszubrüllen und sich somit Linderung zu verschaffen. Ich möchte nicht wissen, wie oft mir dieser Satz in Bezug auf Thomas in der Kehle stecken geblieben und Stunden später noch bitter aufgestoßen ist. Aber nicht mehr lang. Noch knapp vier Wochen Schule, dann muss ich ihn hoffentlich nie wieder sehen. Die einzige Möglichkeit auf Heilung bei GEMINI - ADS besteht darin, den Auslösern weiträumig aus dem Weg zu gehen.
    »Ja, Thomas«, fordert der Knipfer den Krankheitsherd zur Antwort auf.
    »Mit dem Binomialkoeffizienten lässt sich die Wahrscheinlichkeit berechnen, sechs Richtige im Lotto zu tippen«, sagt Thomas mit dem ihm üblichen, ekelhaft selbstsicheren Grinsen im Gesicht.
    GE h MI r NI cht Auf Den Sack!
    »Stimmt genau, Thomas«, sagt Knipfer. »Und deshalb …«
    »Die Wahrscheinlichkeit, sechs Richtige im Lotto zu tippen, beträgt exakt eins zu 13983816, also 0,0000000644«, erklärt die Trüffelsau ungefragt dazwischen.
    »Äh … ja … ähm …«, stammelt Knipfer verwirrt. »Das ist dann wahrscheinlich auch richtig. Aber so genau wollte ich darauf eigentlich nicht eingehen. Ich wollte vielmehr …«
    »Achtung, Achtung!«, unterbricht ihn ein metallisches Krächzen aus dem Lautsprecher über der Tür. »Es folgt eine wichtige Durchsage an alle Schüler!«
    Frau Sandmann aus dem Sekretariat.
    »Der Herr Direktor möchte mitteilen …«
    »Das kann ich auch selbst sagen, Sandmännchen!«, erklingt die Stimme unseres durchgeknallten Direktors. »Los, lassen Sie mich da mal ran!«
    Nur, um das klarzustellen: Ich bezeichne unseren werten Herrn Direktor nicht leichtfertig oder aus einer grundsätzlichen Respektlosigkeit gegenüber Autoritätspersonen als durchgeknallt. Dieser Mann hat tatsächlich und medizinisch nachgewiesen nicht mehr alle Latten am Zaun. Vor zwei Jahren verbrachte er bereits drei Monate in der Geschlossenen, durfte danach aber sofort wieder seinen alten Posten antreten.
    Letztes Jahr hatte er Vinnie und mich auf dem Kieker, da wäre er auch fast in der Anstalt gelandet. Dabei konnte ich überhaupt nichts dafür, es war schließlich nicht meine Idee, dass Vinnie seinen geliebten Benz verkratzt und mit Müll und Tapetenkleister dekoriert. Ich habe es ja noch nicht einmal gesehen. Trotzdem wollte dieser Irre es unbedingt mir anhängen und drehte beinahe wieder komplett durch, weil er nichts beweisen konnte. Zum Glück hat er sich irgendwann beruhigt und lässt mich mittlerweile in Ruhe. Und wenn er wie jetzt gerade mit einer seiner durchgeknallten Durchsagen den Matheunterricht stört, mag ich ihn sogar ganz gerne.
    »Aber, Herr Direktor …«, erwidert Frau Sandmann.
    »Nix, aber! Noch bin ich hier der Chef! Und der Chef will etwas sagen! Jetzt lassen Sie doch endlich dieses verflixte Ding los, Sie machen es am Ende nur kaputt!«
    Es rumpelt kurz heftig und eine fiese Rückkopplung durchfiept unsere Trommelfelle.
    »Hallo?! Hallo?!«, überbrüllt der Irre das Fiepen. »Ist das Ding überhaupt an?! Wer pfeift denn da die ganze Zeit dazwischen?! Sofort aufhören! Hallo?! Sandmännchen, so helfen Sie mir doch gefälligst!«
    »Sie dürfen nicht so nah rangehen, Herr Direktor«, hören wir Frau Sandmann seufzend erklären. »Das habe ich Ihnen doch schon tausendmal …«
    »Ja, das weiß ich doch!«, unterbricht sie ihr Chef. »Halten Sie mich etwa für minderbemittelt? Ich mach das doch nicht zum ersten Mal!«
    Es rumpelt wieder, das Fiepen hört auf.
    »So, also, jetzt aber«, sagt der Wahnsinnige und räuspert sich zweimal. »Was wollte ich eigentlich? Ach so, ja, Folgendes: Liebe Schüler und Schülerinnen und der Lehrkörper gleich mit: Wie sicherlich alle wissen, war ich in den letzten zwei Jahren gesundheitlich leicht angeschlagen. Verantwortlich dafür ist laut meinem Psychoanalytiker zum Großteil

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