Auf die Ohren
mal einer halben Stunde noch das Gegenteil behauptet habe. Aber da war ich ja auch selbst dran schuld. Alles, was mich runtergezogen hat, habe ich mir schließlich nur eingeredet, das zählt jetzt nicht mehr. Jetzt zählt nur noch das hier – eine Band, meine Band, meine großartige Freundin, meine Freunde und die Chance, mit ihnen zusammen einem ganz großen Traum ein kleines Stück näher gekommen zu sein!
Fünf Wochen später
»Okay, perfekt, das ist im Kasten!«, sagt Tom breit grinsend und streckt Clarissa hinter der Scheibe einen Daumen entgegen. »Wollt ihr den Rough-Mix hören?«
»Ja, logisch wollen wir den Rough-Mix hören!«, sagt Steffen. »Gib uns den Rough-Mix, Baby!«
Clarissa kommt herein und stellt sich glücklich lächelnd neben mich.
»Das war gut, oder?«, fragt sie.
»Das war sensationell«, sage ich.
Tom drückt gefühlte hundert Knöpfe und dreht an tausend Reglern, dann ertönen die ersten Takte von Was ich in dir sehe aus den Lautsprechern.
Fuck, klingt das geil! Das könnte ohne Weiteres im Radio laufen, so professionell hört sich das an. Und wenn das der Rough-Mix ist, wie klingt dann erst der endgültige?
Als Clarissas Stimme einsetzt, sind sofort wieder die Gänseschwärme da.
Ja, es war eine verdammt gute Entscheidung, diesen Song für die Aufnahmen auszuwählen. Und nicht umsonst war dies die einzige Entscheidung, die einstimmig und ohne Diskussionen zustande kam. Bei den anderen beiden Liedern ging es hin und her, jeder hatte unterschiedliche Favoriten, das hat ewig gedauert.
Letztendlich haben wir uns dann für Herzen aus Deutschland und Olaf entschieden, weil Herzen aus Deutschland musikalisch und textlich am anspruchsvollsten und Olaf unser witzigstes und eingängigstes Lied ist, sozusagen die Single.
Die Aufnahmen an sich sind leichter, als ich erwartet hatte, aber ich habe mir auch den Arsch abgeübt, fast jeden Tag drei Stunden, sogar mit Metronom, um präziser zu werden.
»Und?«, fragt Tom erwartungsvoll in die Runde. »Was sagt ihr?«
»Wahnsinn«, sagt Christopher.
»Bombastisch«, sagt Robbie.
»Du bist der Beste, Mann«, sagt Steffen.
»Das ist wunderwunderschön«, sagt Clarissa.
Ich sage gar nichts. Ich bin einfach nur glücklich. Rockstar-glücklich.
© Fotopoetin Jen Preusler
Ich wurde 1966 in Frankfurt am Main geboren. Als Schüler war ich nicht besonders fleißig, aber sehr beliebt. Eine Schule mochte mich sogar dermaßen gern, dass sie mich gleich dreimal die achte Klasse besuchen ließ, ohne jeden Aufpreis. Eine andere mochte mich anfangs auch gut leiden und schenkte mir ein zweites Jahr für die elfte Klasse, aber zwei Jahre später waren die Lehrer dann unerklärlicherweise so böse mit mir, dass sie mich mithilfe eines gemeinen Tricks, genannt Abitur, von einem Tag auf den anderen einfach rauswarfen. Das Gefühl dieser tragischen und unerwarteten Ablehnung verarbeitete ich später in meinem Erstlingswerk »Der Junge Sonnenschein«.
Ursprünglich eine Karriere als Rockstar fest im Blick, musste ich als passionierter Schlagzeuger nach mehreren erfolglosen Versuchen mit verschiedenen Bands einsehen, dass mir diese Art von Ruhm verwehrt bleiben würde. Als mittlerweile eingeschriebener und weiterhin nicht besonders fleißiger Student für Anglistik, Amerikanistik und Germanistik hatte ich sehr viel Zeit, mit der ich nichts anzufangen wusste, bis eines Tages eine Muse in mein Leben trat und mich zum Schreiben meines bereits erwähnten Erstlings inspirierte – der Anfang einer (hoffentlich) beispiellosen Schriftstellerkarriere mit Ruhm und Reichtum und Denkmälern bis zum Abwinken.
Wer mit mir in Kontakt treten, mich beschimpfen oder (besser noch) in den Himmel loben möchte, kann sich gern auf meiner Website austoben.
Unter www.jochentill.de gibt es außerdem jede Menge News, Informationen über mich und vieles, vieles mehr.
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