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Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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wirklich. Er war in der Mittelstufe in meiner Parallelklasse und hängt ab und zu im JUZE ab, mehr verbindet uns dann aber auch nicht. Wieso also stopfe ich ihm meine teuer erkauften Zigaretten in den Rachen? Ich bin einfach zu weich. Ich muss solchen Schmarotzern gegenüber unbedingt härter werden. Morgen kriegt er keine mehr. Jawohl! Nicht eine einzige! Noch nicht mal einen Zug! Nie wieder! Seufz. Wem versuche ich hier, etwas vorzumachen? Genau das Gleiche habe ich mir gestern auch schon fest vorgenommen.
    »Hast du die Durchsage gehört?«, fragt Bechthold, während er genüsslich saugend mein Geld verbrennt.
    »Ja«, antworte ich so abweisend wie möglich.
    Offenbar reicht es ihm nicht, mich nur auszuplündern, er muss mir auch noch ein Gespräch aufzwingen.
    »Hammer, oder?«, sagt er.
    »Hm-hm«, brummele ich.
    »Ich kann’s immer noch nicht fassen«, fährt er kopfschüttelnd fort. »Ich meine, das war der coolste Lehrer, den ich je hatte. Und jetzt hört er einfach so auf. Echt ein derber Verlust für diese Schule.«
    Wie bitte?! Das hat er nicht wirklich gesagt, oder? Ich starre mein Gegenüber ungläubig an und meine Befürchtungen bestätigen sich: Seinem ernsten, beinahe traurigen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, sollte das eben kein Witz gewesen sein.
    »Ich hoffe ja, die kriegen das Geld für sein Geschenk zusammen«, sagt er. »Ich geb jedenfalls ’nen Zehner. Und du?«
    Okay, das war’s, jetzt kriegt er wirklich keine Kippen mehr von mir, der ist ja mindestens so irre wie sein Lieblingslehrer. Und bevor ich ihn an der Gurgel schnappe und versuche, gesunden Menschenverstand in ihn hineinzuschütteln, verschwinde ich lieber schnell. Aber wohin? Ich blicke mich verzweifelt um. Oh, da drüben steht ja Christopher! Was macht der denn hier bei den Rauchern? Egal, das ist meine Fluchtmöglichkeit, die wird genutzt.
    »Sorry, muss mal gerade da rüber, was Wichtiges mit Christopher bequatschen«, sage ich zu Bechthold und lasse ihn einfach stehen.
    »Klar, kein Problem!«, ruft er mir hinterher. »Wir sehen uns dann morgen!«
    Nicht, wenn ich es vermeiden kann.
    Ich gehe schnellen Schrittes auf Christopher zu, der mich noch nicht bemerkt hat. Und wieder frage ich mich, was er hier unten an der Turnhalle bei den Rauchern macht. Er hat vor einem halben Jahr mit dem Rauchen aufgehört und ist meines Wissens nie rückfällig geworden. Oder vielleicht doch? Wer steht denn da neben ihm?
    Er redet mit jemandem, der von einem großen Busch verdeckt wird. Eine Rauchschwade steigt aus dem Busch empor. Christopher beugt sich leicht nach vorne. Es sieht so aus, als würde er den Busch küssen. Moment mal! Christopher würde niemals irgendeinen x-beliebigen Busch küssen! Der Busch ist Lisa! Ich meine, Lisa ist im Busch! Und das ist nicht das Einzige, was da im Busch ist! Lisa raucht! Meine kleine, gerade mal fünfzehn Jahre alt gewordene Schwester raucht! Oh, das ist einfach zu göttlich, um wahr zu sein! Dieses Wissen ist unbezahlbar, das ist der Jackpot! Dafür, dass ich unseren Eltern nichts davon erzähle, wird sie teuer bezahlen müssen. Nie wieder Spülmaschine ein- und ausräumen, nie wieder staubsaugen, nie wieder Rasen mähen oder im Winter Schnee schippen! Mein Leben wird das reinste Zuckerschlecken. Und zwar genau ab jetzt.
    »Hey, Christopher!«, rufe ich laut und winke ihm aus etwa zehn Metern Entfernung zu. »Was machst du denn hier?«
    Christopher dreht sich zu mir, dann schnellt sein Kopf sofort panisch zurück zum Busch. Hektisches Flüstern, ein Rascheln ertönt, ein Fuß stampft kräftig auf und scharrt über den Boden.
    »Danny!«, ruft Christopher sichtlich nervös in meine Richtung. »Alles … äh … alles klar bei dir?«
    Er flüstert erneut etwas in den Busch, während ich näher komme.
    »Klar, bei mir immer«, antworte ich. »Und selbst?«
    »Öh … ja … alles bestens … so weit«, sagt er und schaut dabei immer wieder nervös auf den Busch.
    Als ich noch fünf Schritte entfernt bin, tritt Lisa an seine Seite.
    »Hi, Danny«, sagt sie und schiebt sich betont beiläufig einen Kaugummi in den Mund. »Was geht?«
    Was geht? Meine kleine Schwester versucht einen auf obercool zu machen? Ich muss mich zusammenreißen, um nicht laut loszubrüllen vor Lachen.
    »Och, nichts Besonderes«, sage ich. »Die übliche Pausenkippe. Apropos, was macht ihr denn hier unten? Du hast doch längst aufgehört, Christopher, oder?«
    »Was? Ich?«, sagt er. »Ja, klar, weißt du doch. Wolltest du nicht

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