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Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Titel: Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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lügen und zu manipulieren. Vielleicht weil es ein einfacher und bequemer Weg ist.« »Um das zu bekommen, was man will?«, frage ich – wobei ich bewusst das Wort »man« benutze, damit ich nicht zu vorwurfsvoll klinge. Schließlich ist er bei diesem eher heiklen Thema dieses Mal schon sehr offen, ohne »Ablenkungsmanöver« zu starten. »Man will immer das kriegen, was man will«, erwidert er sofort.
    Ich versuche ihn auf den Unterschied zwischen ihm und vielen anderen Menschen in dieser Hinsicht hinzuweisen, als ich sage: »Ja. Aber du hast kein schlechtes Gewissen, wenn du lügst und manipulierst, um das zu bekommen, was du willst.« Kurz überlegt er, bevor er erwidert: »Wie gesagt, nie lange.« Dabei grinst er, wie ein frecher kleiner Junge. »Und wahrscheinlich auch gar nicht so häufig, oder?«, frage ich ergänzend. »Mhm«, erwidert er und nickt. Dann fügt er hinzu: »In dem Rahmen, in dem ich das betreibe, halte ich es für durchaus vertretbar.« Ich möchte wissen, warum er es für vertretbar hält, häufig zu lügen und andere zu beeinflussen. »Keine Ahnung. Ich halte jeden Einzelfall für vertretbar.«
    »Wiegst du vorher ab, ob der Einzelfall vertretbar ist?«, frage ich. Sofort sagt er: »Och, manche Sachen ergeben sich einfach so.« Ich möchte ihn dazu bringen, sich mit dem Grundprinzip auseinanderzusetzen, das hinter seinem Verhalten steckt: »Man könnte aber schon sagen, du tendierst dazu, Leute so zu manipulieren, dass du unterm Strich wenige Kosten und viel Nutzen davon hast, oder?« Christian überlegt kurz: »Ich würde das nicht als Grundprinzip für mein Beziehungsleben zu wem auch immer – jetzt nicht nur die Freundin, sondern auch generell – darlegen, aber wer tut das nicht? Jeder tut offensichtlich alles in seinem Leben mit Kosten-Nutzen-Abwägung.«
    Christian scheint zu ignorieren, dass sich die meisten Menschen nicht annähernd so strategisch verhalten. Auch bei anderen Gesprächen fiel mir durch solche Aussagen immer wieder auf: Er erfasst oft nicht, dass normale Menschen viel mehr von Gefühlen als von sachlichen Überlegungen gesteuert werden. Ich versuche, ihn darauf hinzuweisen: »Aber für die meisten Menschen fällt unter ›Kosten‹ auch ein schlechtes Gewissen, und das hast du in dieser Form nicht.« Sofort erwidert er: »Ja.« Ich ergänze: »Deswegen tust du das viel mehr als andere Menschen.« Seine Reaktion an dieser Stelle – die er sich im Alltag niemals so erlauben würde – ist sehr authentisch. Er grinst und erwidert: »Ups, ich bin tief betroffen. Ich brauche ein Stoppschild, das schlechtes Gewissen heißt, damit ich eins habe.« Christian kennt mich zu diesem Zeitpunkt schon gut genug, um genau zu wissen, dass mich das weder schockiert noch sonst irgendwie wundert.
    Ich frage ihn: »Gibt es irgendeine Situation in deinem Leben, in der du auch nur ansatzweise ein tieferes schlechtes Gewissen hattest?« Kurz überlegt er, dann sagt er grinsend: »Oh ja, da gab es garantiert welche, aber die muss ich gut genug verdrängt haben.« Wenn man ihn nicht kennt, könnte man bei dieser Aussage meinen, er habe nur keine Lust zu antworten. Doch wenn es um unangenehme Gefühle geht, die er zumindest ansatzweise manchmal empfindet, kommt er öfter an diesen Punkt: Er weiß, dass er solche Gefühle hat, wenn auch selten und eher schwach, aber meist fällt es ihm sehr schwer, sich konkret daran zu erinnern. Ich möchte ihn dazu bewegen, genauer darüber nachzudenken, als ich sage: »Fällt dir echt keine einzige solche Situation ein?« Er überlegt sehr lange. Schließlich sagt er: »Nee.«
Schuldgefühle – Die Gewissens-Polizei in unseren Köpfen
    Die meisten Menschen empfinden Schuldgefühle als sehr unangenehm. Auch nach längerer Zeit ist ihnen noch unwohl, wenn sie an Situationen denken, in denen sie einmal Schuldgefühle hatten. Deshalb verhalten sie sich in Zukunft meist so, dass dieses Gefühl erst gar nicht aufkommt. Ihr Verhalten wird also durch Schuldgefühle verändert. Da Christian seine seltenen Anflüge von Schuldgefühlen nie stark und nie lange empfindet und die Anlässe auch schnell vergisst, hat er auch keinen Grund, sein Verhalten zu ändern. Der Mangel oder das völlige Fehlen von Schuldgefühlen ist ein typisches Kennzeichen psychopathischer Menschen und wirkt sich natürlich darauf aus, wie sie bestimmte Situationen bewerten und welche Entscheidungen sie in ihnen treffen.
    Können Sie sich vorstellen, wie Sie wären, wenn Sie nie Schuldgefühle

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