Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)
Familie töten wolle.
In Videoaufnahmen, die ihr Therapeut machte, erzählt das kleine, hübsche Mädchen mit einer ruhigen, niedlichen Stimme von ihren Taten und ihren Gedanken. Sie zeigt dabei am Anfang keinerlei Gewissensbisse, alle anderen Menschen und auch Tiere scheinen ihr egal zu sein. Ihr ist vollkommen klar, dass die grausamen Dinge, die sie tut, absolut nicht richtig sind. Dennoch zeigt sie keinerlei Mitgefühl, nichts außer ihren eigenen Gefühlen und Gedanken ist ihr wichtig.
Im Zuge einer langen Therapie, während der Beth rund um die Uhr von Therapeuten betreut wurde, lernte sie zu fühlen und zu denken wie normale Menschen. Auf Videoaufnahmen nach über einem Jahr Therapie wirkt das inzwischen siebenjährige Mädchen ganz anders als am Anfang. Sie zeigt deutlich Mitgefühl, Scham und Schuldgefühle wegen ihrer früheren Taten und kann – im Gegensatz zu vorher – darüber weinen.
Ihr verstörendes, für sie und andere gefährliches Verhalten änderte sich durch die jahrelange Therapie von Grund auf. Heute – über zwanzig Jahre später – ist Beth eine Krankenschwester, die nie kriminell wurde. Sie und ihre Stiefmutter setzen sich für die Behandlung von missbrauchten und misshandelten Kindern ein, die ähnlich gestört sind, wie Beth es einmal war.
15. Von der Schule in den Knast
– Der kleine Ganove
Stark ausgeprägte Psychopathen werden oft spätestens als Jugendliche kriminell und bekommen erste Vorstrafen. Sie werden gewalttätig, stehlen, brechen ein, begehen Überfalle; andere handeln mit Drogen, besitzen unerlaubt Waffen. Manche begehen auch schon Vergewaltigungen oder missbrauchen Minderjährige.
Einige werden sogar zu Mördern. Der sadistische, pädophile Kinderserienmörder Jürgen Bartsch missbrauchte, folterte und tötete sein erstes Opfer – einen achtjährigen Jungen –, als er selbst gerade 15 Jahre alt war. Bereits ein Jahr zuvor hatte er einen Jungen in jenen Bunkerstollen gelockt, der später zum Tatort seiner vier Morde wurde. Diesen zwang er, sich auszuziehen, doch der Junge konnte fliehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Bartsch bereits jahrelang seine Eltern bestohlen und war immer wieder körperlich übergriffig gegenüber anderen Kindern geworden.
Ein Straftäter, mit dem ich arbeitete, als er Mitte zwanzig war, hatte seit früher Jugend zahlreiche Vorstrafen. Er stahl schon in einem Alter, als er noch nicht dafür verurteilt werden konnte – zunächst bei seiner Mutter, dann auch in Geschäften. Bald begann er, EC-Automaten zu bearbeiten, sodass er die Karten der Kunden auslesen und deren Geld stehlen konnte.
Außerdem ließ er sich von einem professionellen Drogendealer dafür bezahlen, große Mengen Drogen in seiner Wohnung zu verstecken. Bei alldem tat er so, als sei er »nur zufällig in diese Sachen hineingeraten«, er übernahm keine Verantwortung dafür. Während seiner Ausbildung im Einzelhandel stahl er teure Artikel und verkaufte sie weiter. Als sein Chef ihn erwischte, handelte er sich eine weitere Anzeige ein. Wo auch immer er war, nutzte er jede Gelegenheit, um schnell und auf Kosten anderer an Geld zu kommen.
Für alle seine Straftaten hatte er eine Ausrede. Dass er seiner Mutter schon als Kind immer wieder Geld stahl, rechtfertigte er damit, dass sie sich schlecht um ihn und seine Geschwister kümmerte. Seinen EC-Karten-Betrug rechtfertigte er damit, dass die Bestohlenen das Geld ja von der Bank zurückerstattet bekommen würden und die Banken reich genug seien. Mit Drogen habe er nie selbst gehandelt; sie für einen Dealer gegen Geld zu verstecken, sei ein »Freundschaftsdienst« gewesen. Seinen Chef zu bestehlen, rechtfertigte er damit, dass er als Auszubildender seiner Meinung nach schlecht bezahlt wurde. Der Chef verdiene viel Geld und die Dinge, die er gestohlen habe, hätten keinen großen Verlust bedeutet.
Solche Ausreden sind typisch für Kriminelle, die eine »Antisoziale Persönlichkeitsstörung« haben oder sogar psychopathisch sind. Sie glauben selbst an ihre Ausreden und meinen daher, alle, die sie kritisieren, würden sich wegen Nichtigkeiten aufregen. Es kann helfen, Menschen, die schon als Kinder dauernd lügen, stehlen und gewalttätig sind, früh zu therapieren, wie das Beispiel von Beth Thomas zeigt. Wenn solche Menschen nicht möglichst frühzeitig eine geeignete Therapie bekommen, ändert sich ihre gestörte Persönlichkeit meist ihr Leben lang nicht. Eine Therapie im Gefängnis kann ihnen dann nur dabei helfen, mit dieser
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