Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)
Störung umgehen zu lernen, dass sie danach keinen weiteren Schaden mehr anrichten und mit ihrem Leben besser zurechtkommen.
16. So viele Gesetze, die man brechen kann
– Das kriminelle Allroundtalent
Im Leben krimineller Psychopathen ist eines stabil: ihr kriminelles Verhalten. Womit sie schon als kleine Kinder beginnen, das zieht sich konsequent durch ihre ganze Lebensgeschichte. Sie bleiben nicht einer Art von Verbrechen treu, sondern verstoßen gegen jedes Gesetz, das ihnen beim Erreichen eines Zieles im Weg steht. Daher sammeln kriminelle Psychopathen oft Vorstrafen aus sehr unterschiedlichen Straftat-Bereichen.
Das können beispielsweise Straßenverkehrsdelikte, Drogendelikte, Sachbeschädigung, Brandstiftung, unerlaubter Waffenbesitz, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung, Betrugsdelikte, Diebstähle, Raub, Geiselnahmen, Sexualstraftaten und Tötungsdelikte sein.
Der als »The Iceman« bekannt gewordene psychopathische Auftrags-Serienkiller Richard Kuklinski war ein Paradebeispiel für eine solche Verbrecherkarriere. Er beging von früher Jugend an verschiedene schwere Straftaten. Im Alter von dreizehn Jahren tötete er zum ersten Mal einen anderen Menschen. Durch über hundert Morde, die er im Auftrag der New Yorker Mafia beging, wurde er ein reicher Mann.
17. Ich mag einfach keine Regeln
– Der Bewährungsversager
Hat ein Psychopath erst eine Vorstrafe, so verschlimmert er seine Lage oft selbst weiter. Er hält dann seine Bewährungsauflagen nicht ein, zahlt seine Kaution nicht oder flieht sogar aus der Haft. Hat er einen Gerichtstermin, so geht er eventuell gar nicht erst hin. Und wenn er hingeht, benimmt er sich unter Umständen so daneben, dass der Richter die Verhandlung abbricht. Solche unvernünftigen Verhaltensweisen, mit denen er sich nur weiter schadet, scheinen auf den ersten Blick nicht recht zum Bild des kaltblütigen, berechnenden Psychopathen zu passen. Doch wenn Psychopathen das Gefühl haben, in die Ecke gedrängt zu werden, verlieren sie häufiger die Fähigkeit zum nüchternen Denken und Handeln.
Wie sehr ein Psychopath, der in seiner Selbstüberschätzung zu weit geht, seine Situation vor Gericht verschlimmern kann, zeigen eindrucksvoll die Serienmörder Ted Bundy und Rodney Alcala. Beide verteidigten sich in ihren Prozessen teilweise selbst, beide scheiterten damit grandios. Als Alcala 2010 wegen fünffachen Mordes vor Gericht stand, lieferte er sich bereits seit dreißig Jahren einen Kampf mit den US-Justizbehörden. Schon 1980 war er wegen des Mordes an der 12-jährigen Robin Samsoe zum Tode verurteilt worden, doch er ging immer wieder in Berufung und schaffte es, die Justiz so drei Jahrzehnte lang zu beschäftigen.
Zum Verhängnis wurde ihm der Fortschritt der DNA-Untersuchungsmethoden bei Kriminalfällen. Dadurch konnte er neben dem Mord an Robin Samsoe mit vier weiteren Fällen in Verbindung gebracht werden. Alle fünf Fälle wurden 2010 gemeinsam verhandelt. Als sein eigener Anwalt versuchte Alcala in seinem Schlussplädoyer die Geschworenen von einem Todesurteil abzuhalten. Kaltblütig wies er darauf hin, dass er, falls sie dieses Urteil verhängen würden, wie schon in den letzten dreißig Jahren alle bürokratischen Mittel ausschöpfen und in Berufung gehen werde. Das würde den Staat viel Zeit und Geld kosten; es sei doch für alle einfacher, ihn direkt zu lebenslanger Haft zu verurteilen. Schon diese kaltschnäuzige Argumentation nahm die Geschworenen nicht gerade für ihn ein.
Ebenso schlecht kam bei ihnen der Versuch an, sie emotional zu beeinflussen. Zum Abschluss seines Plädoyers sagte Alcala, sie würden selbst zu Mördern, wenn sie ihn zum Tode verurteilten. Und dann machte er es noch schlimmer. Angeblich um seinen »Mordvorwurf« gegenüber den Geschworenen zu verdeutlichen, spielte er einen Ausschnitt aus dem Song »Alice’s Restaurant Massacre« von Arlo Guthrie vor. Der Text des Liedes brachte die Jury tatsächlich auf – allerdings anders, als Alcala sich dies erhofft hatte: »Ich will töten, ich meine, das will ich, ich will töten. Töten. Ich will, ich will sehen, ich will Blut und Körperfetzen und Eingeweide und Venen zwischen meinen Zähnen sehen. Ich meine töten, TÖTEN, TÖTEN, TÖTEN.«
Alle im Saal empfanden zu Recht, dass dieser Text genau das ausdrückte, was in Rodney Alcala während all seiner Morde vorgegangen war. Dieser Song war ironischerweise der letzte Nagel zu seinem Sarg, zumindest zu seiner Verurteilung zum Tode
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