Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)
häufig schon im Kindergartenalter, spätestens aber ab ihrer Schulzeit auf. Sind sie in der Schule, so stören sie den Unterricht, ärgern andere und schummeln bei Prüfungen. Gerne schwänzen sie die Schule aber auch ganz. Einige von ihnen laufen auch immer wieder von zu Hause fort. Noch auffälliger ist, dass sie immer wieder stehlen, lügen, Dinge zerstören oder anzünden. Außerdem sind sie oft gewalttätig gegen Tiere und Menschen. Oft konsumieren sie von früher Jugend an Alkohol und Drogen, um sich besser zu fühlen, und sammeln schon in ungewöhnlich jungen Jahren sexuelle Erfahrungen. Nur eine frühe, geeignete Therapie – wie im Fall Beth Thomas – kann verhindern, dass sie später die für stark ausgeprägte Psychopathen typische kriminelle Laufbahn einschlagen.
Die Saat des Bösen – Der Fall Beth Thomas
Wie sich ein Kind aus einer belasteten Familie entwickelt, hängt von verschiedenen Bedingungen ab: Bekommt es in der Schule oder von anderen Bezugspersonen außerhalb der Familie Hilfe und Zuspruch? Ist es in der Lage, trotz seiner schwierigen Kindheit positive Erfahrungen mit anderen Menschen zu machen? Ist es beispielsweise aufgeschlossen, mutig und interessiert an anderen Menschen oder eher zurückhaltend, ängstlich oder wütend?
Die Erbanlagen eines Kindes beeinflussen, wie sein Gehirn mit einer unglücklichen Kindheit umgeht. Einige Kinder werden depressiv, ziehen sich zurück, hassen sich selbst und nehmen sich schlimmstenfalls irgendwann das Leben. Andere bekommen Panikattacken, denken, sie würden ersticken, obwohl es keinen körperlichen Grund dafür gibt. Manche sind von klein auf sehr wütend, schreien herum, schlagen andere und lügen viel.
Eine unglückliche Kindheit wirkt sich in den allermeisten Fällen ein Leben lang auf die Persönlichkeit eines Menschen aus. Doch wie stark der Mensch davon beeinträchtigt wird und welche psychischen Probleme er entwickelt, hängt hauptsächlich von seinen Erbanlagen ab.
Es ist wie beim Rauchen: Menschen, die rauchen, werden deutlich öfter als andere schwer krank. Doch ob ein langjähriger Raucher schließlich Lungenkrebs, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung oder einen Schlaganfall bekommt, hängt von seinen Erbanlagen ab. Jeder kennt Geschichten wie: »Meine Oma hat ihr Leben lang gequalmt wie ein Schlot und wurde fast hundert Jahre alt.« Manche Menschen haben also Erbanlagen, die bewirken, dass sie auch als jahrelange Kettenraucher recht alt werden.
Einige Menschen entwickeln, ausgelöst durch eine unglückliche Kindheit, Eigenschaften, mit denen sie anderen Menschen von klein auf schaden. Kinder, die sich dauerhaft rücksichtslos anderen gegenüber verhalten, die aus keiner Strafe lernen und nie ein aufrichtiges schlechtes Gewissen zeigen, werden sehr viel häufiger zu lebenslangen Kriminellen als andere. Viele dieser Kinder entwickeln – wenn sie nicht rechtzeitig therapiert werden – das, was Psychologen und Psychiater eine »Antisoziale Persönlichkeitsstörung« oder in selteneren Fällen eine »Psychopathie« nennen.
Ein sehr krasses Beispiel für diesen Zusammenhang zwischen schlimmer Kindheit und gewissenlosem, grausamem Verhalten ist der Fall von Beth Thomas. Ihre Mutter starb, als Beth ein Jahr alt war. Von da an kümmerte sich der alkoholabhängige, gewalttätige Vater um sie und ihren wenige Wochen alten Bruder Jonathan. Er vernachlässigte und misshandelte die Kinder körperlich. Außerdem missbrauchte er Beth als Baby regelmäßig sexuell.
Als Beth anderthalb und Jonathan ein halbes Jahr alt waren, wurden sie von einem Pfarrer und seiner Frau adoptiert, die keine leiblichen Kinder bekommen konnten. Obwohl die Kinder noch sehr jung waren und die Adoptiveltern alles versuchten, um ihnen ein liebevolles Zuhause zu schenken, verhielt sich vor allem Beth außerordentlich auffällig. Bevor sie im Alter von sechs Jahren in eine Therapie kam, tat Beth Dinge, wie sie ein Horrorfilm-Autor kaum erschreckender für ein kleines Mädchen hätte erfinden können.
Mehrmals am Tag befriedigte sie sich selbst, teilweise bis ihre Vagina blutete, auch in der Öffentlichkeit. Wie oft ihre Stiefeltern auch erklärten, dass sie dies vor anderen Menschen nicht tun dürfe, es zeigte keine Wirkung auf Beth. Sie quälte und tötete Tiere. Immer wieder schlug sie ihren kleinen Bruder brutal, sie stach ihn mit Nadeln und führte sexuelle Handlungen an ihm durch. Sie versuchte mehrmals, ihn zu töten, und äußerte auch immer wieder, dass sie ihre ganze
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