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Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Titel: Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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Psychopathen gibt, die beruflich – besonders in Wirtschaft und Politik – sehr erfolgreich werden. Allerdings gibt es über sie bisher wesentlich weniger wissenschaftliche Erkenntnisse als über ihre kriminellen »Artgenossen«, da sie sich aus gutem Grund meist lieber nicht für wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung stellen, da sie weder im Gefängnis noch in Therapien jemals auftauchen und daher meist durchs Raster fallen. Alexander lächelte und sagte, ich hätte jetzt die Gelegenheit, einen solchen Menschen kennenzulernen.
    Ich war nicht sonderlich überrascht, eher interessiert. Dass Alexander deutlich sachlicher, unemotionaler und logischer kommunizierte als die meisten anderen Menschen, hatte ich ja bereits gemerkt. Nun erklärte er, dass er dies im Gespräch mit mir noch mehr als sonst tue. Er habe testen wollen, wie ich darauf reagiere. Psychopathische Menschen testen gerne, wie andere damit umgehen, was sie sagen oder tun. Daher überraschte mich auch das nicht. Alexander sagte, es habe auf ihn positiv gewirkt, dass ich in der Lage sei, auf sehr sachliche Art zu kommunizieren. Deshalb habe er beschlossen, sich mir komplett zu offenbaren.
    Ein Effekt, den ich häufig und besonders bei »ungewöhnlichen« Menschen erlebe: Sie bemerken, dass ich mit ihnen auf ihrer Ebene reden kann, dass ich, egal was sie sagen, weder schockiert noch verängstigt bin. So bin ich schon häufiger in den Genuss gekommen, Wahrheiten über Menschen zu erfahren, die sie sonst kaum jemandem anvertrauen.

Vor und hinter der psychopathischen Maske
    Es gibt keine Geheimnisse im Leben.
    Nur versteckte Wahrheiten,
    die unter der Oberfläche liegen.

    (Zitat aus der Fernsehserie »Dexter«)
    Da Alexander mir ausführlich von Dexter erzählt hatte und auch direkt sagte, dass er diese Serie sehr gut finde, fragte ich ihn, ob er Ähnlichkeiten zwischen sich und der Fernsehfigur erkenne. Er bejahte dies: »Dexter hat ähnlich wie ich ein strukturiertes Regelsystem. Ähnlich wie ich hat er gewisse Prinzipien, gegen die er nicht verstößt. Ich denke, er hat ähnlich wie ich diese Gefühlsverminderung. Auch seine innere Stimme in der Serie finde ich klasse, weil sie in vielen Situationen genau das sagt, was ich denke.« Nun interessierte mich, ob Alexander auch Unterschiede zwischen sich und Dexter sehe. Dazu sagte er: »Dexter hat den Drang zu töten, und den habe ich einfach nicht. Ich habe keine sadistischen Tötungsphantasien oder Ähnliches. Daher habe ich keinen Grund, jemanden zu töten, auch wenn ich es könnte, ohne Gewissensbisse zu bekommen.« Ich fasste zusammen: »Du sagst also, du könntest problemlos jemanden töten, aber du hast keine Motivation dazu?« »Genau.«
    Als wir uns schon eine Weile kannten, bat ich Alexander, mir zwei Ereignisse aus seiner Jugend aufzuschreiben. Es sollten Situationen sein, in denen ihm besonders auffiel, dass er gefühlsmäßig anders funktioniert als andere Menschen. Er wählte als Beispiele eine Beerdigung in seiner Familie und einen Discoabend mit Freunden.
Beerdigungen – Trauer zeigen, wo keine ist
    Vor einigen Jahren verstarb mein Onkel väterlicherseits. Ich habe es meistens erfolgreich geschafft, mich vor Beerdigungen zu drücken, in diesem besondern Fall jedoch hatte ich keinerlei gute Ausreden, Schulferien und eine Distanz von nicht einmal zwanzig Kilometern. Beerdigungen sind eine der wenigen sozialen Angelegenheiten, wo offene Emotionalität erwünscht ist. Die Problematik dabei ist, man wird seltsam angesehen, wenn man keinerlei Emotionen zeigt.
    Gegen 11 Uhr haben wir uns vor dem Friedhof getroffen, meine Tante, verheiratet mit dem jetzt verstorbenen Onkel, war völlig aufgelöst. Ebenso war meine halbe Verwandtschaft schon in Tränen aufgelöst, bevor wir den Friedhof überhaupt betreten hatten. Ich versuchte mich im Hintergrund zu halten, dummerweise war die Beerdigung im Winter, wodurch das Tragen von Sonnenbrillen sehr ungünstig war.
    Bei solchen Veranstaltungen achte ich immer darauf, mich im Hintergrund und das Gesicht gesenkt zu halten. Wir betraten dann gemeinsam den Friedhof, der Weg war relativ kurz, ich ging als Letzter auf den Friedhof, ganz am Ende der Schlange, das Gesicht gesenkt und auf den Boden blickend. Die Schlange vor mir, bestehend aus meinen engsten Verwandten, und ich empfinde nichts. Alle trauern, aber ich kann das nicht nachvollziehen.
    Ich finde die Beerdigung langweilig. Alle sitzen schweigend und trauernd in einer Kirche und hören sich an,

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