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Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Titel: Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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in die Kategorie »mittelgradige Psychopathen« fallen, haben also deutlich mehr psychopathische Eigenschaften als normale Menschen. Keiner von ihnen hat aber so viele wie »stark ausgeprägte« Psychopathen. Diese begehen deutlich öfter Straftaten. Meine mittelgradig psychopathischen Interviewpartner waren jedoch alle nicht vorbestraft.
    Einige Interviewpartner stimmten zu, dass ich Auszüge unserer Gespräche in diesem Buch verwenden darf. Meine Frage, ob ich auch umfangreiche Teile ihrer Person in diesem Buch darstellen dürfte, bejahte neben Alexander auch mein Interwiewpartner Christian. Sie kennen einander nicht. Ich verglich ihre Aussagen und stellte interessante Übereinstimmungen fest.
    Die beiden fühlen, denken und handeln in vielen Bereichen anders als normale Menschen. Dass sie »anders« sind, war beiden schon früh klar, doch sie hatten lange keine Bezeichnung für dieses »Anderssein«.
    Wegen ihrer psychopathischen Eigenschaften würde es beiden wesentlich leichter als normalen Zeitgenossen fallen, Straftaten zu begehen und sogar Menschen zu töten – was beide auch so sagen. Doch sie haben ihren eigenen Weg gefunden, mit ihrer »Besonderheit« zu leben, ohne kriminell zu werden. So betonen beide, dass die Aussicht auf eine Gefängnisstrafe ihnen als »hoher Preis« erscheint, sollten sie eine Straftat begehen. Diese müsste schon einen »Nutzen« bringen, der höher ist. Den sehen beide jedoch nicht, da sie auch ohne kriminelle Delikte ein annehmliches Leben führen. Außerdem sind sie erfolgreich, und damit bewegt sich auch ihr Selbstwertgefühl im grünen Bereich.
    Alexander und Christian fallen genau in jene Grauzone, die sich zwischen normalen Menschen und kriminellen Psychopathen auftut. Das Eis, auf dem sie stehen, ist dünn. Fragen Sie sich selbst, wie die beiden auf Sie wirken. Natürlich wissen die meisten Menschen in ihrem Umfeld nicht, wie sehr sie sich von ihnen unterscheiden. Ähnlich Dexter schaffen es beide, ihre besonderen Persönlichkeitseigenschaften vor den Mitmenschen zu verbergen.

Christian – Der nette Psychopath von nebenan
    So schwarz wie die Nacht nur sein kann,
    alles ist nun sicherer.
    Es gibt immer einen Weg um zu vergessen,
    wenn du erst gelernt hast, wie es geht.

    (I’m Looking Forward To Joining You, Finally – Nine Inch Nails)
    Die meisten Menschen finden Christian sympathisch. Er lächelt viel und spricht stets in ruhigem, freundlichem Ton. Was er sagt, klingt vernünftig und überlegt. Meist wirkt er auf andere Menschen nicht arrogant, eher sehr gefestigt und auf eine gelassene Art selbstsicher. Wenn Menschen ihn kennenlernen, schätzen sie ihn manchmal als etwas distanziert ein. Das mag daran liegen, dass er dann oft erst beobachtet und genau überlegt, was er wie sagt. Wie ein »Spießer« sieht er nicht gerade aus: Er trägt fast ausschließlich schwarze, sportliche Kleidung. Doch die ist im Alltag – vor allem in der Großstadt – nicht übermäßig auffällig. Eine seiner auffälligsten Eigenschaften ist, dass er stets eine vernünftig klingende Erklärung liefern kann.
Schule ist doof
– Freiheit ist unbezahlbar
    Ich frage Christian, wann und warum ihm das erste Mal aufgefallen ist, dass er sich von anderen Menschen unterscheidet. »Das muss bei der Einschulung oder kurz danach gewesen sein«, antwortet er. »Die anderen fanden Schule toll. Ich fand Schule scheiße«, fügt er lachend hinzu. »Da ist es mir zu fremdbestimmt.«
    »Hast du dir damals Gedanken darüber gemacht, warum die anderen Kinder das anders sahen als du?«, frage ich. »Nö. Ich wollte einfach wieder zurück in den Kindergarten, da hab ich mir keine großen Gedanken drüber gemacht. In dem Alter macht man sich ja auch noch nicht so Gedanken wie: Bin ich anders und muss ich mich jetzt anpassen? Ich dachte einfach: Ist das scheiße hier, hier kann ich nicht frei spielen. Hier muss ich die ganze Zeit auf nem Stuhl sitzen und kriege irgendeinen Mist vorgehauen. Dass ich Legastheniker bin, kam ja erst später raus. Damals war den Lehrern nur schnell klar, dass irgendwas nicht mit mir stimmt.«
    Ich frage, ob er ohne Legasthenie damals mehr Spaß in der Schule gehabt hätte, worauf er sofort sagt: »Nein, das war nicht der Hauptgrund, warum ich nicht dort sein wollte. Ich fand von Anfang an: Im Kindergarten einfach spielen, was man will, ist cooler als auf ner Bank zu sitzen und nach vorne schauen zu müssen. Da kann man sich nicht einfach mit jedem unterhalten, wenn man Lust dazu

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