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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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Erkenntnisse, doch bis zur vollständigen und umfassenden Klärung werden sicher noch viele Jahre vergehen.
    Der Test, den Hare 1980 entwickelte, um kriminelle Psychopathen zu erkennen, wird »Psychopathie-Checkliste« genannt. Die von Hare ermittelten Merkmale setzen sich aus Eigenschaften zusammen, die eigentlich zwei unterschiedliche psychische Störungen ausmachen: die »narzisstische Persönlichkeitsstörung« und die »antisoziale Persönlichkeitsstörung«. Es gibt Menschen, die nur die eine oder nur die andere Störung haben.
    Menschen mit einer »antisozialen Persönlichkeitsstörung« begehen mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwann in ihrem Leben Straftaten. Viele von ihnen fallen schon in der Schule auf, weil sie lügen, stehlen, andere Kinder bedrohen und verprügeln. Diese Verhaltensweisen werden oft immer schlimmer, sodass sie früher oder später wegen verschiedenster Straftaten ins Gefängnis kommen. Zwischen 70 und 80 % aller Straftäter in den USA und Kanada haben diese Störung. Einige Forscher beschreiben Psychopathie als eine besonders schwere Form der »antisozialen Persönlichkeitsstörung«, weil Psychopathen noch mehr starke Auffälligkeiten zeigen als Antisoziale und dadurch auch gefährlicher sind.
    Es gibt – erfreulicherweise – deutlich weniger kriminelle Psychopathen als »nur« antisoziale Straftäter. Etwa 10 bis 20 % der Straftäter in Nordamerika werden als Psychopathen eingestuft. Hare selbst entwickelte seine Merkmalsliste durch Forschungen immer weiter. Die aktuelle Ausgabe der Liste beschreibt Psychopathie durch Auffälligkeiten in vier wichtigen Bereichen: Psychopathen haben nur stumpfe Gefühle. Deshalb verhalten sie sich ihren Mitmenschen gegenüber ganz anders, als es von »normalen« Menschen zu erwarten wäre. Sie haben auch einen sehr ungewöhnlichen, unsteten Lebensstil. Außerdem verhalten sie sich seit früher Jugend auffallend oft kriminell.
    Psychopathie kann – wie alle anderen psychischen Störungen – bei verschiedenen Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Manche haben nur wenige, manche mittelmäßig viele und manche sehr viele psychopathische Eigenschaften. Wenn ein Psychologe oder Psychiater einen Menschen auf Psychopathie testet, kann er ermitteln, welche typisch psychopathischen Eigenschaften bei ihm wie stark ausgeprägt sind. Die meisten »normalen« Menschen zeigen nur sehr wenige psychopathische Eigenschaften. Bis heute weiß aber niemand genau, wie viele Menschen mit auffällig vielen psychopathischen Eigenschaften trotzdem niemals ins Gefängnis kommen und was genau sie von kriminellen Psychopathen unterscheidet.
    Einer vorsichtigen Schätzung zufolge hat einer von hundert Menschen stark ausgeprägte psychopathische Eigenschaften. Wie viele Menschen weniger starke psychopathische Eigenschaften haben (die trotzdem stärker sind als die der meisten), weiß man noch nicht sicher. Bisher gab es nur wenige Untersuchungen dazu. Sicher ist jedoch, dass Menschen mit deutlich ausgeprägten psychopathischen Eigenschaften – oft auch auf Dauer – mehr oder weniger unauffällig mit anderen zusammenleben. Ihr Umfeld wird nie erfahren, wie wenig sie fühlen und wie sehr sie ihre Mitmenschen anlügen und gezielt beeinflussen. Um zu verstehen, wie unterschiedlich Menschen mit psychopathischen Eigenschaften sein können und wie einige von ihnen es schaffen, ihre Besonderheiten dauerhaft zu verbergen, muss man die kleinen »Bausteine« der Psychopathie kennen.
    All diese Bausteine haben ihre Basis in der psychopathischen Grundeinstellung, dass man sich nicht an die gesellschaftlichen Regeln »normaler« Menschen gebunden fühlen muss. Einer meiner Interviewpartner mit deutlich ausgeprägten psychopathischen Eigenschaften beschrieb es so: »Ich halte mich an Regeln, wenn ich sie sinnvoll finde und einsehe, warum ich sie beachten soll. Aber auch da gibt es Ausnahmefälle, in denen mir etwas, was ich will, wichtiger ist. Ich entscheide so was immer im Einzelfall. Mögliche Bestrafung hält mich nicht grundsätzlich davon ab, Regeln zu brechen. Wenn ich Regeln breche und weiß, dass das unangenehme Folgen für mich haben kann, dann muss mir das damit erreichte Ziel eben ausreichend wichtig sein. Natürlich versuche ich mir Möglichkeiten zu überlegen, um gar nicht erst erwischt zu werden und die unangenehmen Folgen zu vermeiden. Ich traue mir zu, das besser zu können als andere Menschen. Meiner Meinung nach würden die meisten Menschen alle möglichen

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