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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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tun, wozu er gerade Lust hat. Deshalb verhält er sich oft planlos. Seine Stimmung ist auffällig wechselhaft. Eben noch gut gelaunt, kann er im nächsten Moment aufbrausend, wütend und gekränkt reagieren, wenn etwas nicht so läuft, wie er es gerne hätte. Zu dem positiven Bild, das er anderen von sich vermitteln will, passt natürlich nicht, dass er manchmal hässliche Dinge zu anderen sagt oder ihnen unschöne Streiche spielt – diese Verhaltensweisen zeigt er besonders, wenn er durch Alkohol enthemmt ist.
    Der psychopathische Mensch lernt nichts aus schlechten Erfahrungen, noch nicht einmal aus Strafen, sondern verhält sich, davon vollkommen unbeeindruckt, immer weiter nach seinem altbekannten Muster. Andere Menschen merken auf lange Sicht, dass er eigentlich nur an sich selbst denkt und keine tiefe gefühlsmäßige Verbindung – sei es Liebe oder Freundschaft – eingeht. Auch sexuelle Beziehungen bleiben für ihn immer unverbindlich und ohne ernsthafte Bindung an einen Partner. Seine Gefühle bleiben stets oberflächlich und je nach Situation wechselhaft. Dass er andere damit irgendwann abschreckt, kann er nicht wirklich nachvollziehen.
    Wie ein Blatt im Wind lässt er sich von Lebenssituation zu Lebenssituation treiben, er benutzt die Menschen auf seinem Weg und lässt sie meist enttäuscht und verletzt zurück. Zwar gaukelt er sich selbst und anderen hohe Ziele und große Pläne vor, doch nichts davon setzt er wirklich und mit eigener Mühe um. Obwohl er es sich mit vielen Menschen verscherzt und in vielen Dingen, die er angeht, früher oder später scheitert, wirft ihn das nicht aus der Bahn. Er würde niemals ernsthaft versuchen, sich das Leben zu nehmen. Stattdessen hält er nach jedem Rückschlag Ausschau nach neuen Opfern, die sich von ihm einwickeln und beeinflussen lassen. Hat er von ihnen bekommen, was er wollte – Anerkennung, Sex, Geld oder sonstige Unterstützung –, und merkt er, dass sie ihm lästig werden oder einfach nichts mehr bieten können, zieht er weiter. Niemand ist ihm wirklich wichtig, und es gibt nichts auf der Welt, das ihn dauerhaft hält.
Irgendetwas stimmt hier nicht
    Der kanadische Kriminalpsychologe Robert Hare nutzte die Merkmale, mit denen Cleckley Psychopathen beschrieben hatte, und entwickelte sie durch seine eigene Berufserfahrung weiter. Er arbeitete als Gefängnispsychologe mit inhaftierten Straftätern. Einige von ihnen beeindruckten ihn immer wieder durch ihre widersprüchlichen, auffällig gewissenlosen Verhaltensweisen und Aussagen. Sie zeigten viele der Merkmale, die ich bereits beschrieben habe. Wenn man mit solchen Menschen nicht regelmäßig näher zu tun hat, erwecken sie allenfalls einen Eindruck, den Hare in seinem 1993 veröffentlichten Buch »Gewissenlos – die Psychopathen unter uns« sehr treffend so beschreibt: »Irgendetwas stimmt hier nicht – aber ich weiß nicht genau, was.«
    Durch jahrelange Arbeit und Forschung zum Thema Psychopathie entwickelte Hare eine umfangreiche, in Oberthemen aufgegliederte Liste von Merkmalen. Diese wird bis heute in der ganzen Welt zur Beschreibung und Erkennung von – allerdings in der Hauptsache kriminellen – Psychopathen verwendet. Die Forschung zu diesem Thema ist noch lange nicht abgeschlossen, Jahr für Jahr wachsen die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Psychopathie. Die Merkmale von Hare werden immer weiter in Untermerkmale aufgegliedert. Wissenschaftler untersuchen beispielsweise, ob sie mit noch genaueren Merkmalen verschiedene Untergruppen von Psychopathen erkennen und beschreiben können.
    Auf sehr viele wichtige Fragen zur Psychopathie fehlen jedoch noch endgültige Antworten. Wie genau entsteht diese schwere psychische Störung? Welche auffälligen Merkmale – durch die Erzieher und Lehrer sie gegebenenfalls rechtzeitig erkennen können – zeigen spätere Psychopathen schon im Kindergarten oder in der Schule? Mit welchen Methoden können Therapeuten solche Kinder gezielt behandeln, damit sie nicht zu Psychopathen heranwachsen? Wodurch genau unterscheiden sich Psychopathen, die kriminell werden, von jenen, die ebenfalls viele psychopathische Eigenschaften haben, aber niemals Straftaten begehen? Wie lassen sich kriminelle Psychopathen durch Therapien so weit verändern, dass sie zumindest keine Straftaten mehr begehen? Wie können Therapeuten und Gutachter genau erkennen, bei welchen Psychopathen jede Therapie völlig aussichtslos ist? Zu all diesen Fragen gibt es bereits einige wissenschaftliche

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