Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen
also ein Botenstoff im Gehirn. Dopamin sorgt dafür, dass Menschen bestimmte Handlungen wiederholen. Danach schüttet das Gehirn nämlich wieder eine größere Menge Dopamin aus, was wir Menschen als sehr angenehmes Gefühl wahrnehmen – die Belohnung für das zuvor gezeigte Verhalten. Wenn ein Mensch also etwas tut, wenn daraufhin sein Gehirn mehr Dopamin ausschüttet und damit bewirkt, dass er sich wohler als vorher fühlt, dann wird dieser Mensch das gerade gezeigte Verhalten sehr wahrscheinlich wiederholen.
In der Entstehungsgeschichte der Menschheit war es sinnvoll, dass Verhaltensweisen, die für das Überleben des Einzelnen und der ganzen Art notwendig waren, durch Dopamin schnell »antrainiert« werden konnten. Dopamin wird ausgeschüttet, wenn der Mensch isst, trinkt, Sex hat und seine Nachkommen aufzieht. Doch dieses Prinzip hat sich vereinfacht gesagt im Laufe der Menschheitsgeschichte etwas »verselbstständigt«. Das menschliche Gehirn schüttet Dopamin heutzutage bei vielen Verhaltensweisen aus, die Menschen einfach nur als angenehm empfinden.
Das an sich müsste noch kein Problem sein, wenn nicht manche Menschen anfälliger als andere dafür wären, ständig dem nächsten »Dopaminschub« nachzujagen. Menschen, die zur Sucht neigen – egal ob nach Alkohol, Drogen oder bestimmten Verhaltensweisen –, haben vorher schon »Probleme«: Sie haben ihre Gefühle nicht im Griff, sie erleben öfter und stärker als andere Stress, Wut, Angst, Traurigkeit oder Langeweile. Wenn sie etwas tun, wodurch Dopamin ausgeschüttet wird, fühlen sie sich besser. Also tun sie es wieder, weil sie sich möglichst schnell wieder besser fühlen wollen. Bald verlieren sie alles andere aus den Augen und gieren nur noch nach dem nächsten Kick.
Psychopathische Menschen gehören offenbar zu jenen, die öfter als andere in den Kreislauf der »Jagd nach immer neuer Belohnung« hineingeraten. Starke, abwechslungsreiche Reize schütten in ihrem Gehirn Dopamin und andere Stoffe aus, durch die sie sich wohlfühlen. Das ist natürlich viel angenehmer für sie, als Leere und Langeweile zu empfinden. Daher neigen Psychopathen dazu, solche »stoffungebundenen Süchte« – manchmal aber auch Alkohol- und Drogensucht – zu entwickeln.
10. Lass uns tanzen oder ficken oder beides
– Der ziellose Träumer
Die deutsche Technoband »Scooter« veröffentlichte 2007 ein Lied, dessen Text nur aus dieser einen Zeile besteht: »Lass uns tanzen oder ficken oder beides, denn morgen sind wir tot.« Dies beschreibt sehr gut, nach welcher Grundregel viele Psychopathen leben. Für sie zählt nur das »Hier und Jetzt«. Stets wollen sie das, worauf sie gerade Lust haben. Langfristig zu planen, sich ein Ziel erst nach Monaten oder Jahren zu erarbeiten, das können viele von ihnen nicht.
Stark ausgeprägte Psychopathen leben nur von einem Moment zum nächsten. Da sie sich immer wieder Vorstrafen und Ärger mit anderen Menschen einhandeln, gelingt es ihnen meistens nicht, ein geplantes Leben zu führen oder auch nur einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen. Trotzdem träumen sie davon, wie ihre Zukunft aussehen könnte. Ihre Träume vom schnellen Geld und Erfolg sind jedoch meist völlig abwegig. Sie wollen zwar Karriere machen. Dafür müssten sie aber dauerhaft und hart arbeiten. Das können viele von ihnen nicht, weil ihnen schnell langweilig wird und sie dann nur noch eines suchen: immer neue starke, abwechslungsreiche Erlebnisse, um sich wohl zu fühlen.
Wenn man diese psychopathischen Menschen nach ihren Zukunftsplänen fragt, haben sie häufig sehr unrealistische Vorstellungen. Besonders kriminelle Psychopathen bekunden öfter auch nach vielen Jahren Gefängnis und trotz schlechter Schulbildung, sie würden nach der Haft gern studieren und dann Arzt oder Anwalt werden.
Der pädophile und sadistische Serienmörder Louis Alfredo Garavito Cubillos ist dafür ein besonders erschreckendes Beispiel. Er erzählte im Gefängnis, dass er nach seiner Entlassung ein erfolgreicher Politiker in seinem Heimatland Kolumbien werden und sich vor allem für den Schutz von Kindern einsetzen wolle – dies aus dem Munde eines Mannes, der dreihundert Kinder zu Tode gefoltert hatte und in den Augen seiner Landsleute ein Monster war.
Psychopathen probieren oft verschiedene Berufe aus oder suchen sich solche, in denen sie sehr viel Abwechslung haben. Einen eintönigen Bürojob würde keiner von ihnen länger aushalten. Einer meiner nicht-kriminellen, mittelgradig
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