Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen
gewesen war und das Opfer kannte. Für alle Spuren, die auf ihn als Täter hinwiesen, hatte er aber gute Erklärungen.
Sehr interessant war eine wirklich abenteuerliche Verschwörungstheorie, der zufolge er unschuldig in die Machenschaften einer geheimnisvollen kriminellen Gruppe verwickelt worden war. Ich fand die Geschichte sehr interessant, weil sie, so unwahrscheinlich sie auch wirkte, in sich nicht unlogisch war.
Zur Polizei habe er beispielsweise nicht gehen können, weil er einerseits nur Vornamen oder Spitznamen der Beteiligten kannte und weil sie angeblich damit drohten, seiner Familie etwas anzutun, wenn er sich ihnen widersetzte. Da er verschiedene Orte, Zeiten und Situationen in seiner Geschichte immer wieder ohne Widersprüche erwähnte, konnte ihm auch der größte Skeptiker nicht nachweisen, dass die Geschichte nicht tatsächlich so abgelaufen war.
Da diesem Mann klar war, dass er, auch wenn er sich nicht widersprach, letztlich nichts beweisen konnte, baute er in seine Ausführungen eine geschickte Finte ein. Er erzählte von einem Mord in einer anderen Stadt, der dem Mord, für den er verurteilt worden war, in einigen Dingen ähnelte. Dieser andere Mord fand statt, als er selbst bereits inhaftiert war, und wurde nie aufgeklärt, obwohl im Fernsehen und in Zeitungen ausgiebig darüber berichtet wurde.
Der inhaftierte Mann behauptete, dass die Beschreibung des Täters, die in den Medien verbreitet wurde, auf ein Mitglied der geheimnisvollen »Bande« passe. Weil es einige Ähnlichkeiten zwischen den Fällen gab, behauptete er sicher zu sein, dass dieselbe Bande für beide Morde verantwortlich sei. Wenn nur der Täter im zweiten Fall gefunden werde, dann habe man den »wahren« Mörder und er könne damit beweisen, dass er unschuldig sei.
In beiden Fällen gab es bei sachlicher Betrachtung aber keinen Hinweis darauf, dass dies Taten von einer kriminellen »Bande« gewesen waren. Auch viele Einzelheiten, unter anderem die Art und Weise, wie das jeweilige Opfer getötet worden war, ließen es unwahrscheinlich erscheinen, dass derselbe Täter am Werk war.
Eine dauernde Achterbahnfahrt –
Wie der Psychopath sein Leben gestaltet
9. Süchtig nach »Kicks«
– Der Abenteurer
Weil Psychopathen weniger stark fühlen als andere, wird ihnen sehr schnell langweilig. Langeweile vertragen sie aber gar nicht gut. Sie fühlen sich dann innerlich leer, was sehr unangenehm ist. Diese Leere müssen sie auffüllen. Deshalb suchen sie sich immer wieder die verschiedensten Kicks. Eintönige Arbeit und längere monogame Partnerschaften halten sie meist nicht aus. Sie fühlen sich nur wohl, wenn sie viel Abwechslung haben und möglichst aufregende, ungewöhnliche Dinge erleben. Und wenn sie dabei Risiken eingehen, ist das noch ein zusätzlicher Kick.
Ein psychopathischer Dauereinbrecher beschrieb das mit den Worten: »Das Einbrechen hat mir nicht nur wegen dem schnellen Geld Spaß gemacht. Immer wenn ich einen Einbruch machte und dann, ohne erwischt zu werden, aus der Wohnung rauskam, war das ein starkes, sehr gutes Gefühl. Ich war hellwach, angenehm aufgeregt und einfach richtig gut drauf.« Solche Kicks fühlen sich für Menschen, die sie brauchen, wie ein Drogenrausch an. Deshalb wollen sie ihn immer und immer wieder erleben.
Derselbe Einbrecher sagte auf die Frage, was er bräuchte, um nicht rückfällig zu werden: »Wenn ich mir was wünschen könnte, wäre das ein Dauer-Abo für Bungeejumping oder irgendeine krasse Abenteuersportart. Dann könnte ich dieses starke Gefühl, das ich immer wieder brauche, auf legalem Wege bekommen und hätte einen wichtigen Grund weniger, kriminell zu werden.«
Diese Aussage ist medizinisch gesehen nicht abwegig. Denn die Sucht nach Kicks funktioniert wie die Sucht nach Glücksspiel, nach Sex, nach wahllosem Einkaufen oder nach Computerspielen. So etwas kann tatsächlich süchtig machen, es funktioniert ähnlich wie bei Alkohol- oder Drogenabhängigkeit. Wenn Menschen nach bestimmten Verhaltensweisen süchtig werden, nennt dies der Fachmann eine »stoffungebundene Sucht«: Betroffene führen sich nicht von außen einen Stoff wie Alkohol, Cannabis oder Kokain zu, um »gut drauf« zu sein, sondern sie tun etwas, das in ihrem Gehirn einen »körpereigenen Drogenschub« auslöst.
Eine wichtige vom menschlichen Körper selbst hergestellte »Droge« ist das als Glückshormon bekannte Dopamin. Allerdings ist Dopamin in Wirklichkeit kein Hormon, sondern ein sogenannter Neurotransmitter,
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