Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen
Damit geben mir die Gesprächspartner zwar wichtige Informationen, aber auf eine Art, die ich nicht gegen sie verwenden kann. Diese beiden Strategien schlage ich inzwischen bewusst vor, wenn ich – wie in den allermeisten Fällen – entscheide, mich nicht auf das »Quid pro quo«-Spiel einzulassen.
Ein tieferes Vertrauensverhältnis auf privater, freundschaftlicher Ebene – wie ich es seit längerem mit drei mittelgradig psychopathischen Menschen, die einander jedoch nicht kennen, habe – funktioniert längerfristig aber stets nach dem Prinzip: »Wir wissen gegenseitig viel übereinander, also bauen wir damit keinen Mist.« Die meisten normalen Menschen entscheiden sich irgendwann, engen Freunden ein großes Maß an Vertrauen entgegenzubringen. Sie tun dies gefühlsmäßig, sie »schenken« Vertrauen, ohne eine »Absicherung« zu brauchen. Dies können sich psychopathische Menschen nicht einmal vorstellen. Es erscheint ihnen aufgrund logischer Überlegungen einfach dumm, so etwas zu tun. Einzige Ausnahme können Menschen sein, mit denen sie über viele Jahre so gute Erfahrungen gemacht haben, dass sie als »vertrauenswürdig« eingestuft werden.
Ein extremes Beispiel für das Misstrauen eines kriminellen Psychopathen war Richard Kuklinski. Als er merkte, dass die Ermittlungsbehörden ihm auf den Fersen waren, wollte er alle möglichen Zeugen, die gegen ihn hätten aussagen können, ausschalten. Einige von ihnen bezeichnete er als Freunde, über einen sagte er sogar: »Ich mochte ihn, um genau zu sein mochte ich ihn wirklich. Einer der wenigen Menschen, die ich jemals wirklich gemocht habe.« Doch der »Nutzen« dieser Freundschaften überwog ab einem gewissen Moment für Kuklinski nicht mehr die möglichen »Kosten«: die Gefahr, einer seiner »Freunde« könnte ihn verraten und damit ins Gefängnis bringen oder seiner Familie etwas antun. Damit fiel ihm die typisch psychopathische »Kosten-Nutzen-Entscheidung« leicht, seine Freunde einen nach dem anderen aus dem Weg zu räumen.
Wenn Logik die Intuition ersetzt
Für das Misstrauen der Psychopathen gibt es allerdings noch einen weiteren Grund – eine Besonderheit ihres Gehirns. Psychopathische Menschen ersten Ranges – also solche, die insgesamt stark verminderte Gefühle haben – erfassen und gestalten zwischenmenschliche Beziehungen hauptsächlich mit den Teilen des Gehirns, die logisches Verstehen und strategisches Handeln steuern. Normale Menschen dagegen nutzen stärker »gefühlsgeleitete« Hirnbereiche, im Zusammenspiel mit den »logischen« Hirnbereichen.
Die rechte Hirnhälfte ist unter anderem dafür zuständig, den Gesichtsausdruck des Gegenübers unbewusst und schnell richtig zu deuten. Sie löst Gefühle und von diesen geleitete Verhaltensweisen aus. Diese Verhaltensweisen senden wiederum automatisch gefühlsmäßige »Signale« an unser Gegenüber zurück. Das »Programm« der rechten Hirnhälfte sorgt dafür, dass Menschen sich gegenüber anderen Menschen meist »intuitiv« verhalten. Sie denken dabei nicht strategisch – im Gegensatz zu Psychopathen.
Die linke Hirnhälfte wiederum hat unter anderem die Aufgabe, was jemand sagt oder wie er sich verhält, »logisch« zu verstehen und einzuordnen. Außerdem hilft sie uns, Verhaltensregeln, die wir in unserem Leben gelernt haben, richtig zu erfassen und anzuwenden. Das logische, vernunftgeleitete Programm läuft also links ab.
Während das Gehirn normaler Menschen bei jeder zwischenmenschlichen Handlung auf beide Hirnhälften zugreift und die Programme für »Intuition« und »Logik« ineinandergreifen, ist dies bei psychopathischen Menschen ersten Ranges grundlegend anders. Sie nutzen hauptsächlich die linke Hirnhälfte. Das »intuitive« – also gefühlsmäßige – Verstehen und Reagieren auf das Gegenüber ist praktisch lahmgelegt. Auch deshalb haben psychopathische Menschen die »Fähigkeit«, sehr grausam zu sein, wenn sie es wollen. Wenn sie im Gesicht eines anderen Angst, Traurigkeit, Ekel oder Schmerz entdecken, dann löst das bei ihnen kein oder nur sehr wenig intuitives »Mitgefühl« aus.
Der Wert von Informationen
Da Thomas Harris, der Autor des Romans »Das Schweigen der Lämmer«, für seine Bücher offensichtlich gründlich recherchiert hat, wundert es mich nicht, dass auch seine psychopathische Hauptfigur Hannibal Lecter das Prinzip »Quid pro quo« anwendet. Im gleichnamigen Film bietet Lecter der FBI-Agentin Clarice Starling sogar ausdrücklich an: »Quid pro quo. Ich
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