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Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen

Titel: Auf duennem Eis - die Psychologie des Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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nutzt, um andere Menschen nie zu nah an sich herankommen zu lassen. Christian sagte mir einmal, dass er sich wie eine schwarze Glaskugel wahrnimmt, in die er andere nicht hineinschauen lässt.
    Dass er mir mit der Zeit tiefere Einblicke gewährte, verstieß gegen seine »Grundregel«, wie er mir auch klar sagte. Er wehrte sich nicht mehr sofort, wenn ich seine Sichtweisen oder Darstellungen manchmal in Frage stellte. Er wollte sich besser verstehen. Aus dem gleichen Grund sprach der Serienmörder Richard Kuklinski lange und offen mit dem Psychiater Park Dietz. Kein reflektierender Mensch, der schon immer wusste, dass er »deutlich anders« ist, würde sich diese Möglichkeit entgehen lassen. Christian machte die Erfahrung, dass meine Deutungen von Dingen, die er über sich erzählte, ihm teilweise neue Sichtweisen auf sich selbst möglich machten.
    Verhandeln wir hier gerade? – Dauernd, ohne Ende!
– Mit Psychopathen nach ihren Spielregeln spielen
    Die Überschrift stammt aus dem Film »Im Auftrag des Teufels«. Darin beeinflusst der Teufel – grandios gespielt von Al Pacino – in menschlicher Gestalt, als Chef einer extrem erfolgreichen Anwaltskanzlei, alle, die sich näher mit ihm einlassen. Die hohe Kunst der Manipulation, welche hier extrem gut dargestellt wird, ist ein typisches Merkmal psychopathischer Menschen – auch wenn nicht alle diese Kunst gleich gut beherrschen
    Ich konnte mit Christian überhaupt nur so weit in meinen Einsichten über ihn kommen, weil ich ihn nicht als Klient im Beruf kennengelernt habe, sondern als Privatperson. In einem beruflichen Kontext wäre ich nicht auf den »Vertrauenstest« eingegangen, den er ab einem gewissen Punkt an mir durchführte. Durch seine Kindheitserlebnisse ist in ihm ein tiefes Misstrauen verwurzelt, jemand, dem er Einblicke in seine wahre Gedanken- und Gefühlswelt gibt, könnte diese vielleicht gegen ihn verwenden. Deshalb stellte er, als er beginnen sollte, mir tiefer gehende Dinge über sich zu erzählen, eine aus psychopathischer Sicht vernünftige Bedingung: Für jede allzu persönliche oder unangenehme Frage durfte er eine gleichwertige Gegenfrage stellen.
    Dieses Prinzip – »Leistung gegen Gegenleistung« – ist in verschiedenen Wissenschaften als »Tit for Tat« oder »Quid pro quo« bekannt. Beide Bezeichnungen bedeuten das Gleiche: »dieses für das«. Beim Prinzip »Quid pro quo« wird eine entsprechende Vereinbarung vorher ausgehandelt. Das Prinzip »Tit for Tat« funktioniert ohne vorherige Absprache. Wenn also Person A etwas gibt und Person B ihr etwas Gleichwertiges zurückgibt, dann gibt wiederum Person A etwas Gleichwertiges und so weiter. Der Politikwissenschaftler Robert Axelrod beschrieb diese Strategie in seinem 1984 veröffentlichten Buch »Die Evolution der Kooperation«. Sowohl bei »Tit for Tat« als auch bei »Quid pro quo« geht es um das Prinzip, ein möglichst exaktes Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen herzustellen.
    Alexander benutzte das Prinzip »Tit for Tat«, als er mich bei unserem ersten persönlichen Gespräch »testete«. Er gab mir einen kleinen Einblick in sein »wahres« Wesen, indem er sowohl bei dem, was er sagte als auch wie er es sagte, keine Gefühlsregungen »vorspielte«. Da ich mich auf diese Ebene einließ und auf dieselbe Weise mit ihm sprach, erbrachte ich eine »gleichwertige Gegenleistung auf Verhaltensebene«. Damit hatte ich den ersten Vertrauenstest bestanden, sodass er mir noch mehr über sein wahres Wesen verriet.
    Psychopathisches Misstrauen und Möglichkeiten,
damit umzugehen
    Vor allem psychopathische Menschen testen das Verhalten ihrer Gegenüber häufig und gezielt. Sie sind wegen der Erfahrungen, die sie in ihrer Kindheit machten, sehr misstrauisch. Tieferes Vertrauen können sie kaum je entwickeln. Falls sie Ansätze dazu zeigen, benutzen sie »Absicherungen«, indem sie von ihrem Gegenüber gleichwertige Gegenleistungen oder andere »Sicherheiten« erwarten.
    Würde ein solcher Mensch mit einem Therapeuten sprechen, so würde er eventuell bis zu einem gewissen Grad private Informationen preisgeben. Dies aber nur, weil er wüsste, dass der Therapeut, wenn er diese Informationen weitergibt, seinen Beruf nicht mehr ausüben darf. Eine weitere Strategie, die ich bei Gesprächen mit mittelgradig psychopathischen Menschen erlebe, ist die, zwar »brisante« persönliche Informationen zu liefern, allerdings so, dass genaue Zeiten, Orte und andere beteiligte Personen nicht genannt werden.

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