Auf Dünnem Eis (T-FLAC) (German Edition)
Versprechen klammern, dass die Kavallerie unterwegs war. Lily klemmte die Lippen zwischen die Zähne und fing zu schwimmen an, während ein neuer Schmerz durch ihre Haut schnitt. Eisige Schauer rüttelten ihren Körper durch, ihr Gesicht fühlte sich starr an und tat so weh, dass ihr wieder die Tränen kamen. »Ins Wa-Wasser ge…«
»Oh, Gott! Du bist ins Wasser gefallen?«
Sie nickte, begriff, dass er sie nicht sehen konnte, und schaffte es, etwas zu murmeln. »K-k-k…« Kalt. Gott, es war mehr als kalt. So kalt, dass ihr davon fast warm wurde und sie wusste, was das zu bedeuten hatte. Sie musste raus.
Sofort.
Ihr Verstand war voller Schnee. Weiß und leer. »Kalt«, versuchte sie es wieder, mehr um sich selbst zu beweisen, dass sie es konnte.
»Lily, Süße«, sagte Derek mit Nachdruck. »Bleib bei mir. Wo bist … Ich sehe dich! Ich sehe dich. Ich komme.«
Ihre bleiernen Arme schlugen ungelenk auf das Wasser. Unter ihr bewegte sich die Strömung, zog an ihr wie ein Geliebter, der sie in sein frostiges Bett holen wollte. Sie weigerte sich zu gehen. Würde nicht aufgeben. Konnte dem tauben Gefühl, das an ihr zerrte und sie so müde machte, nicht nachgeben, auch wenn sie so erschöpft war, dass sie nur noch die Augen schließen wollte.
»Lily!« Wieder Dereks Stimme. Als wüsste er, was sie empfand, rief er: »Wach bleiben! Kämpfe, Lily! Du musst kämpfen! Ich bin fast schon da, Süße. Ich hole dich, aber du musst gegen die Kälte kämpfen.«
Kämpfen . Lily wusste alles über das Kämpfen. Sie konnte es schaffen. Sie hatte niemals aufgegeben. Sie würde auch jetzt nicht aufgeben. Nicht, wo Derek so nah war. So, bitte, lieber Gott , nah. Sie hüpfte wie ein Korken im eisigen Wasser, doch sie schaffte es irgendwie, einen Ellenbogen am ausgezackten Eisrand des Lochs einzuhaken und sich festzuhalten. Der Schmerz überrollte sie mit zermürbenden Krämpfen und ließ ihre Muskeln zucken. Ihre Lungen kämpften um jeden Atemzug, als sei ihre Brust gefroren. Da war noch etwas Wichtiges, das sie zu tun hatte. Etwas …
Sie legte den schweren Kopf auf den nassen, kristallbedeckten Ärmel und stellte gelassen fest, dass ihr Verstand kam und ging.
Etwas Wichtiges …
»Hey, du Schöne! Sieh mich an, komm schon. Schau hierher!« Sie hob mit übermenschlicher Anstrengung den Kopf, zwang ihre Augen auf, und da war er. Derek Wright, ihre Nemesis, ihr Geliebter. Ihr Retter. Überlebensgroß, heißblütig und höllisch sexy. Er kam, sie vor einem Schicksal zu retten, das schlimmer war als der Tod … Nein, das stimmte so nicht. Sie starrte ihn mit leerem Blick an.
Zwanzig Millionen Meter entfernt lag er flach auf Bauch und schlitterte wie ein Polarbär über das Eis.
»Du wi-wirst nass we-werden«, sagte sie gepresst. Dummer Kerl. »Wo sind die Hu-Hunde?«, röchelte sie und atmete schmerzerfüllt, während sich das kalte Gift des arktischen Wassers auf ihre Lungen presste.
Müde. So kalt. So müde. »Auf Wiedersehen …«
»Was soll das? Auf Wiedersehen. Verdammt!«
Knochenlos rutschte sie von der Eiskante und ging wieder unter. In der schwarzen Kälte verbarg sich ein Frieden. Frieden und Schlaf und Wärme, die ihr langsam in die Knochen kroch, nach ihrer Seele griff. So schlimm ist es gar nicht, dachte sie.
Dann brach der Überlebenswille durch, zerstörte den Frieden und befahl ihr, zur Oberfläche aufzusteigen. Sie gehorchte blind und strampelte gegen den Schmerz in ihren gefrorenen Gliedern an, bis sie die Wasseroberfläche durchbrach. Ihre Haut brannte wie Feuer, sie rang nach Luft, die Kehle wund.
»Lieber Gott, Frau!«
Die Tränen liefen heiß über ihre Wangen und gefroren schnell zu stechenden, winzigen Eisklumpen. Ein scharfer Schmerz schoss wie eine Klaue durch ihre Haut. Sie entdeckte das zerborstene Eis, wo sie vom Schlitten gefallen war etwa drei Meter entfernt.
Das brüchige Eis war genau zwischen ihr und Derek. Er würde hineinfallen. Sie wollte ihn bei sich haben. Groß. Warm. Sicher. Sie runzelte die Stirn. Nein, da stimmte etwas nicht. So würden sie beide sterben. »Ni-nicht, D-D-Derek!« Stopp! Er war zu schwer, um noch näher heranzukommen. Sie versuchte, es ihm zu sagen, aber ihre Lippen waren taub und viel zu dick. »S-st…«
Er fluchte. »Ich werde nicht stehen bleiben, Lily. Ich sehe das geborstene Eis. Ich versuche, es zu umrunden. Halt durch! Das ist alles, was du tun musst. Halt einfach nur durch. Ich schwöre zu Gott, ich lasse nicht zu, dass dir etwas geschieht. Halt.
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