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Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt

Titel: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni di Lorenzo Helmut Schmidt
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retten?
    Im Prinzip gibt es drei Möglichkeiten: Entweder das Renteneintrittsalter auf ein höheres Alter zu verschieben, siehe Gerhard Schröders Agenda 2010. Oder die Renten relativ abzusenken; relativ meint im Verhältniszu Löhnen und Gehältern. Oder drittens von den Aktiven höhere Versicherungsbeiträge oder Steuern zu verlangen.
    Was hielten Sie für richtig?
    Wahrscheinlich eine Mischung aus allen dreien.
    Kann eine höhere Geburtenrate helfen?
    Es ist ziemlich sicher, dass die Geburtenrate einstweilen sehr niedrig bleiben wird.
    Wir geben uns alle Mühe, Herr Schmidt!
    Nein, das glaube ich nicht. Vor einem halben Jahrhundert lag die Geburtenrate pro Frau bei über 2,3 Geburten, heute liegt sie nur bei etwas über 1,3 Geburten. Und es kann durchaus sein, dass sie noch mehr abnimmt. Wachsender Wohlstand führt zur Abnahme der Geburtenrate.
    Gehen wir also wirklich einer »Rentnerdemokratie« entgegen, wie der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog gerade unkte – sodass keine Partei mehr irgendwas beschließen kann, was den Alten nicht passt?
    Immerhin hat Roman Herzog davor gewarnt, die Rentner als Pressure-Group zu akzeptieren. Vielleicht hat er es ein wenig extrem formuliert, aber es war ein interessanter Diskussionsbeitrag.

    21. Mai 2008

[ Inhalt ]
    »Das Wort ›abschieben‹
würde ich nicht gelten lassen«
    Über das Alter 2
    Lieber Herr Schmidt, vergangene Woche haben wir über die monströse Entwicklung der Rentenzahlungen in Deutschland geredet. Heute möchte ich Sie nach Ihren eigenen Erfahrungen mit dem Altsein befragen. Wer hat sich um Ihre Eltern und Großeltern gekümmert?
    Um beide Großeltern haben sich ihre Kinder gekümmert, also mein Vater und meine Mutter.
    Wie darf man sich das Kümmern vorstellen?
    Das waren monatliche Zuschüsse, außerdem aber seelische Hilfe jedweder Art. Das galt auch für meine Schwiegereltern, für die haben wir gesorgt. Für meine eigenen Eltern brauchte man nicht zu sorgen: Mein Vater war Lehrer gewesen und bekam seine Pension; die war ausreichend. Da ging es mehr um die Seele.
    Haben Sie es noch selbst erlebt, dass mehrere Generationen unter einem Dach leben?
    Auf dem Dorf ja, in der Stadt seit Ende der vom Bombenkrieg erzwungenen Wohnungsnot eigentlich nur noch selten.
    Ist es in Ihren Augen ein schönes Familienmodell?
    Das lässt sich nicht generell beantworten. Heute vor 50 Jahren hatte niemand ein Fernsehgerät, möglicherweise hatten viele Familien auch keine Zeitung, zum Beispiel meine Großeltern. Was haben sie gemacht? Sie haben zu Hause Domino oder mit den Nachbarn Karten gespielt. Heute hat jeder sein eigenes Fernsehgerät. Er braucht die Nachbarn nicht mehr. Man hat heute ein Telefon und kann im Notfall nach Hilfe rufen. Das Modell einer Großfamilie unter demselben Dach war so lange notwendig, wie man sich gegenseitig brauchte. Heute braucht man kaum noch die eigene Tochter oder den eigenen Sohn oder die Enkelkinder, um das tägliche Leben zu bestreiten. Seelisch bräuchte man sich nach wie vor, aber ökonomisch nur relativ selten.
    Kennen Sie außer Ihrem Freund Hans-Jochen Vogel jemanden, der freiwillig ins Heim geht?
    Ja, viele meiner Altersgenossen sind aus eigenem Entschluss ins Altersheim gegangen.
    Ist das nicht ein sehr trauriger Einschnitt?
    Das muss gar nicht traurig sein. Viele sind damit sehr glücklich.
    Was berichtet denn Hans-Jochen Vogel davon? Er ist ja mit seiner Frau ins Augustinum in München gezogen.
    Jedenfalls berichtet er nichts Negatives.
    Aber ist eine Gesellschaft, die ihre Eltern immer häufiger ins Altersheim abschiebt, nicht auch eine herzlose Gesellschaft?
    Das Wort »abschieben« würde ich nicht gelten lassen. Meine Frau und ich haben zum Beispiel meinen Vater überredet, ins Altersheim zu gehen, nachdem meine Mutter schon lange tot war, weil wir die Woche über in Bonn zu arbeiten hatten. Wenn es gut lief, kamen wir Samstagabend zurück nach Hamburg und konnten uns bis Sonntag um den Vater kümmern. Oft ging es nicht gut, dann war er auch am Wochenende allein. Es kam zwar eine Frau, die ihm den Haushalt in Ordnung hielt, aber dann zankte er sich mit ihr, und wir mussten ihm immer wieder eine neue beschaffen. Schließlich wurde es für ihn schwierig. Aber im Heim war er dann sehr zufrieden.
    Sie glauben, das ist der Lauf der Welt?
    Ja.
    Würden Sie es auch nicht als Drama sehen, selbst ins Altersheim zu gehen?
    Ich persönlich würde es nicht tun; ich muss es auch nicht. Aber meine Frau würde es tun, falls sie

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